Fertiggerichte sind besser als ihr Ruf
Die Plastikschale in die Mikrowelle schieben, die Folie wegreissen und nach fünf Minuten steht eine vollständige Mahlzeit auf dem Tisch: Fertiggerichte sind beliebt und der Markt wächst stetig. Bereits 2019 lag der Jahresumsatz in der Schweiz bei 731 Millionen Franken und stieg im Corona-Jahr 2020 auf 823 Millionen Franken an – obwohl industriell gefertigte Menüs gemeinhin als ungesund und umweltschädlich gelten.
Dieser Ruf ist aber nicht grundsätzlich gerechtfertigt, wie eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt. Die Forschenden haben untersucht, wie sich Convenience-Menüs von solchen aus der Gemeinschaftsgastronomie und daheim gekochten in Bezug auf Gesundheit, Ökologie und Geschmack unterscheiden.
Drei Bestseller
Für den Vergleich wählte das interdisziplinäre Team drei Bestseller unter den Fertigmenüs: Teigwaren mit Feta und Cherry-Tomaten, Thai-Curry mit Poulet sowie Bratwurst mit Kartoffelstock und Karotten. Diese wurden einmal mit identischen Zutaten und Rezepturen nachgekocht und einmal mit im Supermarkt eingekauften Lebensmitteln und Rezepten aus Betty-Bossy- oder Tip-Topf-Büchern – also unter typischen Bedingungen eines Privathaushaltes.
Alle drei Gerichte seien aus Gesundheitsperspektive nicht optimal, aber immer noch im grünen Bereich, betont Studienleiterin und Ernährungswissenschafterin Claudia Müller. «Sie enthalten tendenziell zu viel Fett und Salz, aber zu wenig Proteine, Kohlehydrate und Nahrungsfasern.»
Man bekommt schnell wieder Hunger
Die industriell hergestellten Gerichte erwiesen sich auf 100 Gramm umgerechnet als am kalorienreichsten. Aufgrund der kleinen Portionen liegt ihr Energiewert jedoch unter den Empfehlungen von gut 700 Kalorien für eine Mittagsmahlzeit. Dies könne dazu führen, dass sie nicht ausreichend sättigen und zusätzliche Zwischenmahlzeiten nötig sind, sagt Müller.
Auch beim Geschmack konnte die Privatküche punkten. Bei einem Testessen mit unkenntlich gemachten Proben schmeckten das Bratwurstgericht und das Curry aus der Haushaltsküche etwas intensiver als die mehrere Tage bis Wochen im Kühlschrank gelagerten Convenience-Menüs. Zudem hatte das Gemüse mehr Biss.
Selber kochen spart Geld
Wer selber kocht, braucht zwar viel Zeit, spart aber Geld. Dieselbe Menge gekochte Nahrung kostet nämlich in Form von Fertiggerichten rund doppelt so viel wie das Essen aus der eigenen Küche und in der Kantine sogar rund dreimal so viel.
Bei den Umwelteinflüssen hingegen schnitt die Gastronomie am besten ab. Die Vorteile bei der Kantinen-Verpflegung liegen hauptsächlich beim wegfallenden Transport und dem kleinen Foodwaste-Anteil. In den Haushalten dagegen landet durchschnittlich ein Viertel der Lebensmittel im Abfall und die meisten erledigen ihre Einkäufe mit dem Auto. Diese Faktoren wurden bei den Haushalt-Gerichten eingerechnet.
Weniger Foodwaste aber mehr Verpackung
Bei den Industrieprodukten dagegen spielt – neben dem Transport in die Läden und danach zum Endkunden – die Verpackung eine gewisse Rolle. Kaum relevant sind jedoch die Energiekosten bei der Zubereitung. Auch wenn Haushalte wohl pro Portion deutlich mehr Strom benötigen als Grossküchen, fällt dies lediglich mit ein bis zwei Prozent ins Gewicht.
Der grösste Teil der Umweltbelastung geht sowieso aufs Konto der Zutaten. Sie machen gut die Hälfte bis drei Viertel aus. «Am umweltfreundlichsten sind Gerichte mit wenig oder keinen tierischen Erzeugnissen», erklärt Ökobilanz-Experte Matthias Stucki. Von den untersuchten Menüs verursacht denn auch das Bratwurst-Gericht die meisten Treibhausgase, am wenigsten das vegetarische.
Wer die Umwelt schonen will, sollte vor allem pflanzliche Lebensmittel bevorzugen, ohne Auto einkaufen und keine Lebensmittel wegwerfen, rät Stucki. «Ab und zu eine Fertigmahlzeit, wenn’s pressiert, ist durchaus zu verantworten.»