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Nach Freispruch: Bundesanwaltschaft meldet Berufung an, Platini rechnet mit Funktionären wie Infantino ab

Michel Platini erklärte inzwischen, er habe die Nase voll von der Welt der Fussballfunktionäre und wolle nicht dahin zurückkehren.

Am 8. Juli 2022 wurden Joseph Blatter (86) und Michel Platini (67) vom Bundesstrafgericht vollumfänglich vom Betrugsvorwurf freigesprochen. Demnach war die Zahlung von 2 Millionen, die 2011 von der Fifa an Platini ging, rechtens gewesen. Für die Bundesanwaltschaft, die sieben Jahre ermittelt hatte, und den Weltfussballverband Fifa, der als Privatkläger auftrat, eine schwere Schlappe.

Die Bundesanwaltschaft teilte am Montag mit, dass sie am 15. Juli Berufung gegen den Entscheid angemeldet hat. Das musste sie tun, wenn sie sich die Möglichkeit offenhalten wollte, das Urteil anzufechten. Ob sie wirklich in Berufung geht, ist damit aber also nicht entschieden. Beobachter gehen eher davon aus, dass sie dies nicht tun wird. Die Aussichten, den vollumfänglichen Freispruch zu drehen, sind sehr mässig. Und bereits setzte die Bundesanwaltschaft in den sieben Jahren der Ermittlungen sehr viel Geld und Energie in den Sand, wie auch die Fifa. Und den heute 86 Jahre alten Blatter weiter vor Gericht zu zwingen, stösst auf immer weniger Verständnis. Der neue Bundesanwalt Stefan Blättler riskierte bei einem Weiterzug seinen Ruf.

Fifa schweigt sich aus

Aber das Bundesstrafgericht muss jetzt das schriftliche Urteil abfassen, erst danach wird die Bundesanwaltschaft entscheiden. Die Anmeldung der Berufung sei «kein Vorentscheid» in diese Richtung, betonte die BA gestern denn auch.

Laut Gesetz hat das Bundesstrafgericht drei Monate Zeit für die schriftliche Begründung.

Die Fifa von Gianni Infantino, die vor Gericht in Bellinzona enormen Druck auf eine Verurteilung von Blatter und Platini machte, wollte sich gar nicht zur Frage der Berufung äussern. «Die Fifa wird keinerlei Kommentar abgeben, bevor sie die schriftliche Urteilsbegründung erhalten hat». Sollte, was viele erwarten, die Bundesanwaltschaft letztlich nicht in Berufung gehen, wird es für die Fifa extrem schwierig. Eine Berufung würde ihr dann erst recht als Zwängerei ausgelegt.

Platini hat die Nase voll von der Welt der Fussball-Funktionäre

Das Verfahren war 2015 eröffnet worden mit der Folge, dass Platini nicht Fifa-Präsident werden konnte. Es erbte damals Gianni Infantino. Platini musste auch das Präsidium des europäischen Fussballverbands Uefa abgeben. Er verlor innert Monaten alles, es war ein sehr tiefer Fall und laut Gericht erst noch unverschuldeter Fall des Franzosen. Am Freitag gab er dem französischen TV-Sender LCI ein denkwürdiges Interview. Er sagte, die letzten sieben Jahre mit den falschen Betrugsvorwürfen seien eine «harte, komplizierte Zeit» gewesen für eine bekannte Person wie ihn, für seine Familie.

Innerhalb der Fifa habe man ihn eliminieren wollen, sagt Platini. Die, die nicht wollten, dass ich Präsident werden, «haben mich getötet». Sie hätten sich dadurch Vorteile, auch finanzielle, verschafft. Man habe ihn bei der Fifa verhindert, weil «die dort vor einer guten Suppe sassen» und nicht wollten, dass er mitbekomme, was dort laufe. Man habe ihn draussen haben wollen, stellte der Franzose fest.

Aber er erteilte den Forderungen, er solle jetzt gegen Infantino als Fifa-Präsident kandidieren, eine Absage. Er wolle nichts mehr zu tun haben mit dieser Welt der Funktionäre, auf keiner Ebene, auch nicht in der Uefa oder im französischen Verband. Er habe keine Lust mehr, ständig in der Welt herumzufliegen. «Ich habe keine Lust, Leute zu treffen, die mich nicht mögen, und die ich nicht allzu sehr mag», sagte Platini, das sei nicht seine Welt. Und er und seine Familie brauchten dringend eine mediale Pause.

Zu ihm standen in den letzten Jahren laut Platini seine engsten Freunde und die «Menschen des Fussballs». Im Stich gelassen hätten ihn dagegen sämtliche leitenden Fussballfunktionäre, er nannte sie die «Politiker des Fussballs». Was er dagegen weiterführen werde, sei der rechtliche Kampf, in Frankreich, aber auch in der Schweiz, wo er sich als Privatkläger konstituieren wolle.

Es geht um die «Schweizerhof»-Affäre um die Geheimtreffen zwischen Infantino (Platini nennt den Namen im Interview nie) und dem ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Zwei Sonderermittler des Bundes führen deswegen ein Strafverfahren. Es gibt konkrete Hinweise, dass dabei auch das Verfahren gegen Platini eine Rolle spielte. Daher will Platini als Privatkläger auftreten und Akteneinsicht in das Verfahren.

«Ein bisschen Revanchegelüste sind dabei», gab er zu, «ich will wissen, was passiert, wer dahinter stand.» Platini sagte auch, er sei jetzt wieder der «gamin», der er einst war, also der Bub, der sich für den Fussballsport begeisterte, der von der verdorbenen und auf Geld und Profit fokussierten Funktionärswelt nichts wusste. Und für das Spiel selbst, für die Fussballspielenden werde er sich weiterhin einsetzen, und er habe einige interessante Ideen.