Kürzungen bei Arbeitslosenversicherung, beim ÖV und bei den Witwen: Der Bund muss sparen
Die Ausgaben des Bundes wachsen. 2022 schloss der Bundeshaushalt mit einem Defizit von 4,3 Milliarden Franken ab. Gleichzeitig kommen neue Aufgaben auf den Bund zu, ohne dass deren Finanzierung geregelt ist. So lässt sich in der Kürze das Problem von Finanzministerin Karin Keller-Sutter beschreiben. Bereits im Februar hat der Bundesrat erste Massnahmen verabschiedet, um das strukturelle Defizit von zwei Milliarden Franken zu tilgen.
Sparen will er bei der Forschung, weiter sollen die Armeeausgaben langsamer wachsen. Schliesslich sollen lineare Kürzungen von zwei Prozent bei den schwach gebundenen Ausgaben das Defizit auffangen. Betroffen sind nebst den Ausgaben für Landwirtschaft, internationale Zusammenarbeit und Kultur auch die Umwelt, der regionale Personenverkehr sowie die Verwaltung. Als zusätzliche Einnahmequelle will die Regierung neu Elektrofahrzeuge besteuern.
Allerdings reichen diese Sparmassnahmen nicht: Ab 2025 häuft der Bund abermals strukturelle Defizite in der Höhe von einer Milliarde Franken an, die nicht vereinbar sind mit der Schuldenbremse. Am Mittwoch hat er beschlossen, dass er auch bei einzelnen gesetzlich gebundenen Ausgaben ansetzen will.
Das sind die Sparvorschläge:
Der Beitrag an die Arbeitslosenversicherung soll um 250 Millionen Franken pro Jahr gekürzt werden. Hintergrund sind die ausserordentlichen Bundesbeiträge während der Covid-Pandemie über 16 Milliarden Franken und die Kurzarbeitsentschädigungen. Der ALV-Fonds konnte profitieren: Dessen Kapital ist während dieser Zeit gestiegen. Die Massnahme ist auf fünf Jahre befristet.
Der Zoff um die Krippenfinanzierung geht in eine neue Runde. Weil die Kantone sich nicht an den 800 Millionen Franken beteiligen wollen, die ab 2025 fällig werden, macht der Bundesrat zwei Vorschläge. Die Vorlage soll redimensioniert werden. Gleichzeitig will der Bundesrat die Kantone auch finanziell in die Pflicht nehmen: Der Kantonsanteil der direkten Bundessteuer soll um 0,7 Prozentpunkte auf 20,5 Prozent gesenkt werden. Das entspricht etwa 200 Millionen Franken.
Auch beim Bahninfrastrukturfonds setzt der Bundesrat an: Er will die Einlage befristet auf drei Jahre um mindestens 150 Millionen kürzen. Der geplante Ausbau der Infrastruktur soll dadurch nicht infrage gestellt werden.
Bei der AHV sieht der Bundesrat weitere 100 Millionen Franken Einsparpotenzial. Den Steilpass dafür lieferte ihm ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der die Schweiz beauftragte, Witwen und Witwer gleich zu behandeln. Der Bundesrat nimmt das nun zum Anlass, die Witwenrenten zu kürzen, jene der Witwer etwas auszudehnen. Künftig sollen Witwer und Witwen nur solange Anspruch auf eine Rente haben, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. Die AHV würde dadurch zusätzlich rund 500 Millionen Franken pro Jahr einsparen.
Die schlechte Nachricht ist: Der Bundesrat ist bereits jetzt überzeugt, dass auch diese Massnahmen nicht reichen werden, um die Defizite aufzufangen. Dass dies mit der neuerlichen Bankenrettung zu tun hat, bestreitet der Bundesrat vorsorglich: «Das Massnahmenpaket zur Abwendung eines Ausfalls der Credit Suisse, das nötig war, um enorme volkswirtschaftliche Schäden von der Schweiz abzuwenden, hat keinen Einfluss auf den ordentlichen Finanzhaushalt und erhöht damit auch in keiner Weise den Bereinigungsbedarf», schreibt er in der Medienmitteilung.
Nachtragskredite für Asylbereich und Ukraine
Am gleichen Tag hat der Bundesrat Nachtragskredite in der Höhe von 433,8 Millionen Franken fürs Budget 2023 verabschiedet. Die höchste Summe ist mit 166 Millionen für den Asylbereich vorgesehen, dies aufgrund der gestiegenen Asylgesuche. 113 Millionen beantragt der Bundesrat für ein Hilfspaket für die Ukraine und die Republik Moldau, das er im Februar beschlossen hatte (Gesamtumfang: 140 Millionen).
Der drittgrösste Posten ist für den regionalen Personenverkehr gedacht (87 Millionen), wo gemäss Bund mit deutlich höheren ungedeckten Kosten der Transportunternehmen zu rechnen ist. Ein Grund dafür sind unter anderem höhere Strom- und Treibstoffpreise. Weitere 31 Millionen beantragt der Bundesrat dem Parlament für Lohnmassnahmen: Er hat dem Bundespersonal einen Teuerungsausgleich von 2,5 Prozent gewährt, im Voranschlag waren nur Mittel für 2,0 Prozent vorgesehen gewesen.