
Soll der Grosse Rat bei vollen Geldtöpfen Steuerrabatte sprechen? Das meinen die Parteien
Es ist schon fast biblisch: Auf sieben fette Jahre kann der Aargauer Finanzdirektor Markus Dieth zurückblicken. Von 2017 bis 2023 nahm der Kanton jeweils mehr Geld ein, als er ausgab. Seither konnte Dieth nicht nur die Nettoschulden des Kantons vollumfänglich abbauen, sondern auch die Geldtöpfe füllen. Fast eine Milliarde Franken liegen in der Ausgleichsreserve des Kantons.
Also möchte der Finanzdirektor den Bürgerinnen und Bürgern etwas zurückgeben. Dieths Idee: Steuerrabatte. Bei Überschüssen in der Rechnung und guter Finanzlage soll der Grosse Rat einmalige Steuersenkungen für Bevölkerung und Unternehmen für das übernächste Steuerjahr beschliessen können.
Bis Montag lief die Anhörung. Was sagen jene, die allenfalls über künftige Steuerrabatte entscheiden können? Die Parteien im Grossen Rat.
SVP ist gegen, FDP für einen Steuerrabatt
Beginnen wir mit einer Überraschung: Die SVP ist gegen einen Steuerrabatt. Eine «vorsichtig optimistische und realistische» Budgetplanung habe Vorrang, schreibt die grösste Fraktion im Parlament. Statt nachträglichen Steuerrabatten will die SVP lieber in der Budgetdebatte Steuersenkungen fürs kommende Jahr beschliessen. So sei eine nachträgliche Senkung des Steuertarifes gar nicht erst nötig. «Dies führt schlussendlich zum selben Ergebnis.»
Die FDP will hingegen den Fünfer und das Weggli: Steuersenkungen und Steuerrabatte. Letztere sieht die Partei angesichts der sehr soliden Finanzlage mit rund einer Milliarde Franken Reserve als zwingend. Priorität haben für die Freisinnigen aber Steuersenkungen und eine realistische Budgetierung: So verlangt die FDP vom Regierungsrat einen Mechanismus, der direkt eine Steuersenkung für die Folgejahre verbindlich festlegt. Den nachträglichen Steuerrabatt sieht die FDP als eine Art Notfallversicherung, falls die Budgetierung weiterhin zu vorsichtig ausfällt.

Bild: Sandra Ardizzone
Auffällig: Sowohl FDP als auch SVP schreiben in ihren Vernehmlassungsantworten nicht von Steuerrabatten. Lieber verwenden sie den Begriff «Rückerstattung». Würden den Steuerzahlenden zu viel verrechnet, so sei dies kein Rabatt, sondern schlicht eine Rückerstattung, führt die FDP aus.
Einig sind sich die beiden bürgerlichen Parteien auch in einem weiteren Punkt: Die Kriterien für eine gute Finanzlage sind zu hoch angesetzt. 800 bis 1000 Millionen Franken in der Ausgleichskasse sieht Finanzdirektor Dieth als angemessen an. Für die beiden Parteien, welche zusammen mit der EDU die Mehrheit im Grossen Rat bilden, müsste die Hürde bei rund 300 Millionen Franken liegen.
Die Ratslinke ist gegen Steuerrabatte
Ebenso erwartbar wie die bürgerlichen Forderungen nach Steuersenkungen ist das linke Veto gegen Steuerrabatte. Die Vernehmlassungsantwort von SP und Grünen lesen sich teilweise wie kopiert, Copy-Paste bei der Ratslinken: SP wie Grüne betonen, von den Steuerrabatten profitierten Gutverdienende überproportional, lieber sähen sie eine Rückvergütung durch einen fixen Betrag, unabhängig vom Einkommen, wie dies etwa der US-Bundesstaat Colorado handhabe.
Dazu ein Rechnungsbeispiel aus dem Bericht des Regierungsrats: Eine Person mit Jahreseinkommen von 50’000 Franken muss bei einem Steuerrabatt von 5 Prozent im Folgejahr 65 Franken weniger Steuern bezahlen. Eine Person, die jährlich 200’000 Franken verdient, spart bereits 697 Franken. Besonders einträglich wäre der Steuerrabatt hingegen für Firmen: Bei einem steuerbaren Gewinn von 10 Millionen Franken müsste eine Firma in gemäss Rechnung des Kantons 27’500 Franken weniger Steuern bezahlen.
Steuerrabatte müssten primär den unteren Mittelstand entlasten, schreibt die SP. Die Grünen denken dabei an finanziell schwächere Personen und Familien, die es derzeit aufgrund steigender Lebenshaltungskosten sehr schwer hatten. Die Partei fordert, das Geld gezielt zu investieren: In die Sicherung der Gesundheitsversorgung, Ausbau von Sonderschulplätzen oder eine grosszügigere Verbilligung der Krankenkassenprämien.
Mitte unterstützt Dieth, EVP fordert zeitliche Beschränkung
Die Mitte indes bejubelt die Pläne ihres Regierungsrats Markus Dieth. «Wir schlachten das Sparschwein», titelt die Partei in einer Medienmitteilung. «Ein grosses Ja zum Steuerrabatt», schreibt sie in ihrer Vernehmlassungsantwort. Mit einem Steuerrabatt sichere sich der Kanton ab, indem er nur so viel Entlastung gewähre, wie er bereits eingenommen habe. Gleichzeitig ist für die Mitte klar: «Ein Steuerrabatt verhindert nicht eine Steuerfusssenkung in den nächsten Jahren.» Die Partei unterstützt eine Senkung um mindesten 4 Prozent für 2026.
Auch GLP und EVP begrüssen den Steuerrabatt – mit gewissen Vorbehalten. Während die Grünliberalen fordern, einen Teil der Ausgleichsreserve in den Klimaschutz statt in Steuerrabatte zu investieren, verlangt die EVP eine zeitliche Befristung. Die längerfristigen Wirkungen auf die Finanzpolitik und den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen seien noch völlig unbekannt. Die EVP schlägt vor, in den nächsten fünf Jahren in einem Pilotprojekt erste Erfahrungen mit dem Steuerrabatt zu sammeln.