Sie sind hier: Home > Ernährung > Das ganze Tier essen: Das passiert mit Aargauer Schweineschnauzen und Ochsenschwänzen

Das ganze Tier essen: Das passiert mit Aargauer Schweineschnauzen und Ochsenschwänzen

Die ganze Kuh verwerten, nicht nur Filet und Entrecôte – das bezeichnen Metzger als respektvolles Verhalten gegenüber dem Tier. Doch wie gut lässt sich das Ziel umsetzen? Die AZ hat bei einem Metzger nachgefragt. 

Im Schnitt essen Schweizerinnen und Schweizer jedes Jahr rund 50 Kilo Fleisch. Und diese 50 Kilo, die bestehen grösstenteils aus den immer gleichen Fleischstücken: Pouletbrust, Rindsplätzli, Schweinsschnitzel.

Gleichzeitig werben unter anderem Fleischproduzenten, die gegen die Massentierhaltungs-Initiative sind, damit, alles Fleisch, das am Tier dran ist, zu verarbeiten. «Nose to Tail» nennt sich dieser Ansatz. Vom Schnörrli bis zum Schwänzli. Aber geht das auf, wenn gleichzeitig alle nur Pouletbrust, Schweinslende und Rinderschulter essen wollen? Wer isst die Schnörrli und die Schwänzli? Nicht besonders viele Leute, das zeigt unter anderem ein Ausflug zur Metzgerei Lüthi in Hausen.

Ernst Lüthi, Metzger-Senior aus Hausen, hat zusammen mit seinem Sohn eine ganze Reihe Nose-to-Tail-Produkte in seiner Metzgerei eingeführt. In den Regalen der Metzgerei finden sich etwa Kutteln, Rindskopfbäggli und Rindsherz.

Nose-to-Tail-Produkte zu verkaufen, ist dabei grundsätzlich keine neue Idee: «Früher hat man Kutteln genauso gegessen wie alle anderen Fleischstücke auch», erzählt Metzger Lüthi. Geändert habe sich das erst, als die Löhne stiegen und die Fleischpreise sanken. «Plötzlich konnten sich viel mehr Leute Filet und Entrecôte leisten – und die Kutteln wurden unbeliebter.»

Keine Zeit für Kutteln

Warum genau plötzlich keine Kutteln und andere Nose-to-Tail-Stücke vom Bauch, von der Brust oder der Schulter mehr verkauft wurden, ist laut Lüthi schwierig zu sagen. Aber: «Ein entscheidender Grund ist wahrscheinlich, dass die Leute keine Zeit haben. Das passt nicht dazu, dass bei vielen solchen Produkten lange Vorbereitungen nötig sind, damit sie zarter werden.»

Dazu komme, dass sich die Vorlieben verändert haben. «Viele Leute wollen heute möglichst mageres Fleisch, möglichst ohne Fett. Deshalb wird viel mehr weggeschnitten, sodass wir immer weniger vom Tier verwerten können», sagt Lüthi. An diesen Geschmäckern könne er als Metzger leider auch nichts ändern.

Die Lösung: Kutteln im Beutel

Für all jene, denen die Zubereitung von Nose-to-Tail-Produkten zu lange dauert, hat die Metzgerei Lüthi aber eine Lösung. Kutteln etwa bietet sie vorgekocht an, in einem Plastiksack, den man in einen Topf voll heissem Wasser stellen kann. 20 Minuten brauchen die Kutteln dann noch, bis sie fertig sind – wahrlich nicht mehr besonders lang.

Bei vielen Metzgereien sieht das Angebot allerdings anders aus. Viele bieten Kutteln, Innereien und Co. nur auf Vorbestellung an – ein Angebot, das nicht zur steigenden Nachfrage nach spontan erhältlichen Lebensmitteln passt.

Detailhändler bemühen sich – Nose-to-Tail bleibt trotzdem Nische

Ähnlich sieht es bei den grossen Lebensmittelhändlern aus. Zwar bieten die Detailhändler durchaus Nose-to-Tail an, wie Migros und Coop auf Anfrage mitteilen. Allerdings zeigt ein Blick in die Onlinekataloge, dass die Auswahl bei Rinds-Tomahawk oder Herz deutlich kleiner ist als bei Schweinsfilet und Entrecôte.

Allerdings, das schreiben beide Detailhändler, könnten praktisch alle Stücke vorbestellt werden – zumindest in den Filialen mit einer Metzgertheke. Coop versucht ausserdem, den Absatz von Nose-to-Tail-Produkten zu fördern, indem die weniger begehrten Stücke in den Fleischtheken eher in den Vordergrund gerückt werden.

Trotzdem sind Nose-to-Tail-Stücke noch immer Nischenprodukte. Das schreibt der Fleischverarbeiter Bell auf Anfrage. Zwar seien sie in der Gastronomie teilweise relevant, im Sortiment der Detailhändler interessierten sich aber vor allem «kundige Fleischliebhaber» für diese Produkte.

Übrig gebliebenes Fleisch landet in der Biogasanlage

Die Fleischstücke, die trotz aller Bemühungen der Metzger und Detailhändler nicht in Aargauer Pfannen landen, werden meist zu Wurst, Tierfutter oder Biogas weiterverarbeitet. «Fleisch so zu verwerten, macht manchmal auch mehr Sinn. Viele Nose-to-Tail-Produkte sind halt auch in der Zubereitung in der Metzgerei sehr aufwendig, da ist Tierfutter je nachdem schlicht lukrativer», so Metzger Lüthi.

Lüthi bietet die Nose-to-Tail-Produkte trotzdem an. Es sei eine Herzensangelegenheit und einfach auch ein «Angebot für Gourmands», sagt der Metzger.