Zwei jugendliche Ukraine-Flüchtlinge leben in Birrwil – und müssen sich in Chiasso registrieren lassen
Philipp Kästli aus Birrwil hat privat zwei ukrainische Flüchtlingskinder aufgenommen. Die unbegleiteten Minderjährigen sind Geschwister, wie der Aargauer auf Twitter schreibt. «Die beiden sind mit mir am 6. März eingereist, es sind Kinder von Bekannten in der Ukraine», sagt Kästli. Er meldete die jungen Ukrainer erst zur Registrierung an, als es das Online-Verfahren gab, «da die beiden untergebracht und soweit glücklich waren und die Anmeldezentren schon mit den Leuten ohne Unterkunft und Ansprechpersonen in der Schweiz überlastet waren.»
Als es dann um die Registrierung des Buben und des Mädchens für den Schutzstatus S ging, erlebten Kästli und die Flüchtlingskinder allerdings eine unliebsame Überraschung. «Heute hat der Junge das Aufgebot zur S-Registrierung erhalten, morgen in Chiasso», schrieb Kästli in seinem Tweet am Samstag. Und er fügte an, das Mädchen werde zu einem späteren Zeitpunkt anderswo registriert.
Kästlis Befund zur Registrierungspraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM): «Beim SEM geht’s wohl grad drunter und drüber.»
Registrierung grundsätzlich im Bundeszentrum der gleichen Asylregion
SEM-Sprecher Reto Kormann sagt auf Anfrage der AZ, der Aargau gehöre zur Asylregion Nordwestschweiz und das Aufgebot zur Registrierung hätte für das Bundesasylzentrum Basel erfolgen sollen. «Ich habe den Einzelfall nicht abklären lassen, das hat für uns schlicht keine Priorität, unsere Leute arbeiten seit mehreren Wochen rund um die Uhr», teilt er weiter mit. Kormann sagt, seit der Einführung der Online-Registrierung am 16. März habe das SEM insgesamt 13’000 Mails erhalten, 9000 Bescheinigungen für den Schutzstatus S ausgestellt und über 3500 Einladungen zur Registrierung in einem Bundesasylzentrum verschickt.
Kormann sagt weiter, grundsätzlich würden geflüchtete Personen in jenes Bundeszentrum eingeladen, «in dessen Asylregion der Kanton liegt, in den sie zugewiesen wurden». Auch innerhalb der Asylregionen können die Wege zur Registrierung relativ lang werden. So werden Flüchtlinge, die bei einer Gastfamilie im Kanton Zug wohnen, zur Registrierung nach Chiasso eingeladen – weil Zug zur Asylregion Tessin-Zentralschweiz gehört.
Flüchtlinge werden je nach Auslastung auch anderen Zentren zugewiesen
Die Auslastung sei aber nicht bei allen sechs Bundeszentren gleich gross, hält Kormann fest, in Zürich herrsche mit Abstand am meisten Andrang. Und er sagt: «Darum haben wir zur besseren Nutzung der Ressourcen damit begonnen, Personen auch in andere Bundesasylzentren aufzubieten, als es die Regionenzugehörigkeit ihres Standortkantons verlangen würde.»
So würden Personen aus dem Osten des Kantons Zürich nach Altstätten SG eingeladen, Personen aus den Kantonen Freiburg und Waadt würden nach Bern aufgeboten. Die ukrainischen Flüchtlinge könnten auf Basis ihrer Bescheinigung kostenlos mit öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, hält Kormann fest.
Der Sprecher sagt, normalerweise würden in den sechs Bundesasylzentren mit Verfahrensfunktion (Boudry, Bern, Basel, Chiasso, Zürich, Altstätten SG) rund 1000 Asylsuchende pro Monat eintreffen. «Schutzsuchende aus der Ukraine registrierten wir aber in den letzten beiden Wochen bis zu 1500 pro Tag», hält Kormann fest. Zum Glück habe sich die Situation, nicht zuletzt dank der Online-Registrierung, inzwischen entspannt. Heute gebe es kaum noch Wartezeiten, weil die Flüchtlinge einen Termin zur Registrierung erhalten.
Die Registrierung auch in anderen Bundeszentren durchzuführen, zum Beispiel am Standort Brugg, ist laut Kormann derzeit nicht geplant. Die sechs genannten Bundesasylzentren seien am besten eingerichtet, unter anderem mit Zugang zu Datenbanken und Geräten für die Erfassung der Fingerabdrücke und verfügten über genügend Personal. Dies einerseits, weil dort auch zu «normalen» Zeiten schon Asylverfahren durchgeführt werden und zum anderen, «weil über 100 Mitarbeitende aus der Zentrale dort für die Registrierung der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer aushelfen».
Happy End der Reise nach Chiasso für ukrainische Geschwister
Die umständliche Registrierung der beiden ukrainischen Jugendlichen, die bei Philipp Kästli leben, fand im Übrigen ein positives Ende. «Ich habe mich entschieden, beide Kinder nach Chiasso mitzunehmen und auf die Kooperationsbereitschaft der Tessiner Behörden zu hoffen», berichtet der Aargauer. Im Bundesasylzentrum an der italienischen Grenze wurde ihm gesagt, dass diese Umverteilung bisher nicht üblich sei.
Allerdings waren die Angestellten im Empfangszentrum bereit, die Registrierung für beide Kinder durchzuführen. «Insofern bin ich zufrieden mit dem Ausgang und möchte mich an dieser Stelle herzlich für Ihre Arbeit bedanken», schreibt Kästli dem Staatssekretariat für Migration, das sich inzwischen auch bei ihm gemeldet hat, um den ungewöhnlichen Fall zu klären.