Bald keine Sozialhilfe mehr für wohlhabende Ukraine-Flüchtlinge? Aargauer Regierung prüft Verschärfung
«Wenn ein ukrainischer Flüchtling mit dem 5er-BMW bei uns vorfährt, müssen wir ihm Sozialhilfe auszahlen. Ebenso der Ukrainerin, die Ehefrau eines wohlhabenden Chirurgen ist, was übrigens in der Praxis schon vorgekommen ist.» Das sagte SVP-Nationalrätin Martina Bircher, die in Aarburg auch Sozialvorsteherin ist, vor gut vier Monaten.
Bircher sprach sich damals entschieden gegen die Forderung von SVP-Aargau-Präsident Andreas Glarner aus, die Sozialhilfe für ukrainische Flüchtlinge mit Schutzstatus S zu erhöhen. Sie verwies darauf, dass die Ukraine-Flüchtlinge einige Privilegien hätten. So dürfen die Behörden ihr Vermögen in den ersten sechs Monaten nicht berücksichtigen, wenn es um die Berechnung der Sozialhilfe geht.
Geldbezüge aus der Ukraine sollen ans Einkommen angerechnet werden
Im Unterschied zu vorläufig Aufgenommenen aus anderen Ländern können Ukrainerinnen und Ukrainer also auch Sozialhilfe beziehen, wenn sie teuren Schmuck, Autos, Bankguthaben oder Liegenschaften in der Heimat haben. Diese spezielle Regelung hat die Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und -direktoren (SODK) kurz nach Kriegsausbruch beschlossen.
Dies soll sich nun ändern, der Vorstand der Sozialdirektoren-Konferenz hat laut Radio SRF beschlossen, die Richtlinien für den Bezug von Sozialhilfe zu verschärfen. «Wenn Personen mit Status S Gelder ab Bankkonten oder aus anderen Vermögenswerten in der Ukraine beziehen, sind diese dem Einkommen anzurechnen», sagt Generalsekretärin Gaby Szöllösy im Radiobeitrag.
Asylpolitikerin Martina Bircher: «Auf die Ehrlichkeit der Leute angewiesen»
SVP-Nationalrätin Martina Bircher sagt auf Anfrage, sie begrüsse die Verschärfung grundsätzlich:
«In der Praxis ist es aber schwierig herauszufinden, ob jemand Vermögen hat, das ist nicht nur bei Ukrainern, sondern generell bei allen Ausländern der Fall.»
Die neue Empfehlung sei ein kleiner Schritt zur Gleichbehandlung mit vorläufig Aufgenommenen. Bircher schränkt aber ein: «Wir sind – wie so oft – auf die Ehrlichkeit der Leute angewiesen.»
Das Auto sollen Ukrainerinnen und Ukrainer trotz der neuen Regeln nicht verkaufen müssen. Dieses helfe ihnen bei der Heimreise, wenn sie in die Heimat zurückkehren wollten. «Es ist nicht opportun, wenn wir sie jetzt zwingen, das Auto zu verkaufen», sagt Szöllösy. Allerdings gelte dies vorläufig nur bis Ende Jahr, wie Radio SRF berichtet. Im Spätherbst sollen neue Empfehlungen vorliegen, wie mit Fahrzeugen und anderen Vermögenswerten wie Schmuck umgegangen werden soll.
Ob die Verschärfung im Aargau kommt, ist derzeit noch offen
Doch beim Beschluss der Sozialdirektoren-Konferenz handelt es sich nur um eine Empfehlung, für die Kantone ist diese nicht bindend. Der Kanton Bern will die Verschärfung laut Radio SRF umsetzen, im Aargau ist dies laut Rahel Klarer, Sprecherin des Sozialdepartements, noch offen.
«Auf den Ablauf der sechsmonatigen Frist hin prüft der Regierungsrat eine Anpassung der Schutzbedürftigen-Verordnung. Er wird die neuen Empfehlungen bei der Revision mitberücksichtigen.»
Derzeit leben 4436 Menschen mit Schutzstatus S im Aargau, wie viele von ihnen Sozialhilfe beziehen und wie hoch die bisherigen Ausgaben dafür waren, lässt sich laut Klarer ohne aufwendige Abklärungen nicht sagen. «Die Auszahlung der Sozialhilfe wird in den Gemeinden abgewickelt. Diese melden dem Kanton jeweils Ende Quartal, wie viel Sozialhilfe ausbezahlt wurde», sagt sie.
Zudem würden bei Personen, die arbeitstätig sind und keine Sozialhilfe benötigen, auch deren Familien miteinberechnet, sodass eine Zahl kurzfristig nicht eruiert werden könne. Klar ist allerdings: Der Anteil der Ukrainerinnen und Ukrainer, die arbeitstätig sind, liegt nur knapp über zehn Prozent. Laut dem Kanton sind rund zwei Drittel der Ukraine-Flüchtlinge – also knapp 3000 Personen – über 18 Jahre alt und damit im arbeitsfähigen Alter. Wie eine Nachfrage der AZ zeigte, hatten am 20. Juli lediglich 374 von ihnen eine Arbeitsbewilligung.