Bund, Kanton, oder Gemeinden: Wer soll für Unterkunft und Betreuung der Ukraine-Flüchtlinge zuständig sein?
Im laufenden Jahr wurden dem Aargau fast 6500 Geflüchtete aus der Ukraine mit Status S zugewiesen – für die Unterbringung und Betreuung dieser Menschen sind die Gemeinden zuständig. Das steht in einer Notverordnung, die für höchstens zwei Jahre gilt.
Der grosse Ansturm bringe alle an ihre Kapazitätsgrenzen und sei nur von Bund, Kanton und Gemeinden gemeinsam zu bewältigen, finden alle Parteien. Doch wenn es darum geht, die Zuständigkeit der Gemeinden ins Sozialhilfe- und Präventionsgesetz zu schreiben, endet die Einigkeit.
SP fordert Regelung, die ohne private Unterstützung funktioniert
Dass die kommunale Zuständigkeit sinnvoll sei, da sehr viele Geflüchtete privat untergebracht wurden, greift aus Sicht der SP zu kurz. Es müsse eine Regelung geschaffen werden, «die auch ohne Unterstützung durch Gastfamilien von den Behörden bewältigt werden kann.»
Der Schutzstatus S könne künftig «auch Personengruppen aus anderen Kriegsgebieten gewährt werden, wobei die Solidarität in der Bevölkerung anders aussehen könnte». Die geplante Gesetzesänderung würde die Verantwortung einzig auf die Gemeinden schieben. Die aktuelle Krise zeige aber, dass deren Kapazitäten überspannt seien.
EVP und EDU dagegen – SVP mit Vorbehalten dafür
Auch die zwei evangelischen Parteien lehnen den Vorschlag ab – die EVP schreibt: «Wenn der Kanton die Verantwortung an die Gemeinden delegiert, installiert er einen Flickenteppich im Asylbereich und erschwert die Integrationsbemühungen und eine faire Erstbetreuung.» Die EVP fordert ein effizientes «Ankunftsmanagement» mit klaren Standards.
Die EDU schreibt, seit der Aktivierung des Schutzstatus S seien unzählige Ungerechtigkeiten von Ukrainern gegenüber anderen Flüchtlingen beobachtet worden. Um nicht überstürzt ukrainische Schutzsuchende gegenüber einer anderen Gruppe zu bevorteilen, lehnt es die EDU ab, «die Notverordnung in das ordentliche Recht zu überführen».
Die SVP, die im Grossen Rat mit der EDU eine Fraktion bildet, findet es richtig, dass Schutzbedürftige aus der Ukraine durch die Gemeinden untergebracht und betreut werden. Die SVP fordert allerdings, auch der Kanton solle Unterkünfte suchen und betreiben, «um den Aufnahmedruck bei den Gemeinden so klein wie möglich zu halten».
FDP-Gemeindeammann Schoop dagegen, freisinnige Fraktion dafür
Auch die FDP-Fraktion im Grossen Rat dürfte nicht einstimmig für die Verantwortung der Gemeinden stimmen – obwohl die Freisinnigen diese grundsätzlich unterstützen. «Die kommunalen Behörden kennen die Verhältnisse in ihrer Gemeinde am besten. Zudem kann die Solidarität von Privaten vor Ort am besten genutzt werden», schreibt die FDP.
Es sei aber sehr wichtig, dass die Anliegen der Gemeinden angehört und berücksichtigt würden. FDP-Grossrat Adrian Schoop, der auch Gemeindeammann von Turgi ist, kritisierte vor zwei Monaten: «Diese sogenannte Arbeitsteilung geht voll zu Lasten der Gemeinden, das ist weder fair noch umsetzbar.» Auch den Gemeinden fehle Wohnraum, auch sie hätten nur begrenzt personelle Ressourcen.
Mitte, GLP und Grüne für Verantwortung der Gemeinden
Die Mitte unterstützt die Festschreibung im Gesetz, obwohl Kanton und Gemeinden in der Ukraine-Krise an ihre Grenzen kämen. Die Partei erwartet bei einem Ja zum Vorschlag der Regierung, dass sich diese «nicht hinter der Rechtsgrundlage versteckt und sich mit den Gemeinden in dieser oder ähnlichen Situationen solidarisch zeigt».
Die GLP unterstützt den Grundsatz, «dass in der Regel die Gemeinden für die Unterbringung, Unterstützung und Betreuung zuständig sind.» Die Grünliberalen erwarten, dass alle Gemeinden ihren Teil zur Lösung beitragen und der Kanton dies durchsetzt. Wenn der Aargau nicht auf Unterstützung der Gemeinden zählen könne, wäre er in einer Notlage.
Für die Grünen ist die grundsätzliche Zuständigkeit der Gemeinden sinnvoll, der Kanton solle sich aber nicht aus der Verantwortung ziehen. Die Unterbringung in privaten Haushalten sei nur als Übergangslösung zu verstehen. Eine unermüdliche Solidarität der Bevölkerung sollte nicht als selbstverständlich erachtet werden, halten die Grünen fest.