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Noch früher als erwartet: Kanton ruft Asylnotlage aus, weil die Plätze für Geflüchtete ausgehen

Die aktuell verfügbaren 650 Reserveplätze reichen nur noch bis Ende Februar 2023. Mit der Ausrufung der Notlage und dem Erlass einer Notverordnung schafft der Regierungsrat zusätzliche Handlungsmöglichkeiten, um die benötigten Plätze für geflüchtete Personen sicherzustellen. Die Nutzung von unterirdischen Sanitätsstellen steht dabei im Vordergrund.

Die Situation im Asylwesen im Kanton Aargau ist angespannt. Der anhaltend hohe Zustrom von Geflüchteten bedingt die rasche Schaffung von zusätzlichen Unterkunftsplätzen. Bereits vor zehn Tagen sagte Regierungsrat Jean-Pierre Gallati im TalkTäglich bei Tele M1, schon im Februar oder März könnten die letzten freien Plätze in den Asylunterkünften im Aargau belegt sein.

«Dann müssen wir im Regierungsrat darüber nachdenken, nach Corona bereits wieder eine Notsituation nach Zivilschutzgesetz auszurufen.» So würde der Kanton schneller an geeignete Unterkünfte kommen und könnte mehr Angehörige des Zivilschutzes aufbieten.

Nun hat sich die Kantonsregierung entschieden, die Notlage schon früher auszurufen, wie es in einer Mitteilung vom Freitag heisst. Gemäss den Prognosen des Staatssekretariats für Migration (SEM) sei in den nächsten Wochen weiterhin mit täglichen Zuweisungen von insgesamt rund 20 Schutzsuchenden aus der Ukraine und weiteren Personen aus dem Asylbereich zu rechnen.

Die aktuell 650 Reserveplätze in kommunalen und kantonalen Unterkünften im Aargau sowie die verfügbaren Plätze bei Gastfamilien reichen voraussichtlich noch bis Ende Februar 2023. «Deshalb sind Massnahmen zur raschen Schaffung zusätzlicher Kapazitäten nötig», heisst es vonseiten des Kantons.

Ausrufung der Notlage

Der Regierungsrat hat aufgrund der aktuellen Situation und der zu erwartenden Entwicklung für den Kanton Aargau die Notlage im Asylwesen gemäss Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz Aargau (BZG-AG) ausgerufen. Er schafft damit neue Handlungsmöglichkeiten, um zusätzliche Unterkünfte für Schutzsuchende schneller bereitstellen zu können.

Im Vordergrund stehe die Bereitstellung von Sanitätsstellen. Gemeinden können gemäss der vom Regierungsrat verabschiedeten Notverordnung verpflichtet werden, solche Anlagen für die Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung zu stellen.

Falls dereinst auch diese Kapazitäten ausgeschöpft sein sollten, könnten im äussersten Notfall Gemeinden sowie Privateigentümer per Beschlagnahmungsverfügung verpflichtet werden, auch anderweitige geeignete Liegenschaften zur Verfügung zu stellen.

«Der Regierungsrat wird zurückhaltend und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit mit dieser Möglichkeit umgehen», heisst es in der Mitteilung. Die Notverordnung ermöglicht zudem das Aufbieten des Zivilschutzes für die Unterstützung bei der Betreuung in den Unterkünften.

Unterkunftskapazitäten sind ausgeschöpft

Der Kanton Aargau hat in den letzten Monaten rund 1000 zusätzliche Plätze in kantonalen Unterkünften geschaffen und darin die verfügbaren Plätze bereits verdichtet. Der Kantonale Sozialdienst wird in den nächsten Monaten weitere Unterkünfte anmieten, so zum Beispiel Mehrfamilienhäuser, ehemalige Hotels und leerstehende Pflegeheime.

Auch die Gemeinden sind seit Beginn des Ukraine-Krieges daran, zur Erfüllung ihrer Aufnahmepflicht weitere Unterkunftsplätze zu schaffen und geeignete Wohnobjekte in Betrieb zu nehmen. Weiterhin ist erfreulicherweise eine hohe Solidarität der Bevölkerung mit den Geflüchteten aus der Ukraine feststellbar, was die hohe Zahl an Privatunterbringungen (43 Prozent) zeigt.

Die Anzahl der vom Bund in den letzten Wochen und Monaten dem Kanton Aargau zugewiesenen Asylsuchenden und der aktuelle Zustrom von Geflüchteten können jedoch mit den jetzigen Unterkunftskapazitäten nicht mehr bewältigt werden. Auch andere Kantone haben grosse Probleme, genügend Unterkünfte zu finden. Der Luzerner Regierungsrat hatte vor diesem Hintergrund im November 2022 die Notlage für den gesamten Asyl- und Flüchtlingsbereich des Kantons Luzern erklärt.

Erste drei Anlagen werden nächstens in Betrieb genommen

In den nächsten Wochen werden gemäss Notverordnung erste Schutzbauten an den drei Standorten Aarau, Birmenstorf und Lenzburg in Betrieb genommen. Das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) hat diese Anlagen nach einem umfassenden Evaluationsprozess bestimmt.

Damit lassen sich insgesamt 560 zusätzliche Unterkunftsplätze schaffen: 160 Plätze im Geschützten Spital Aarau (ehem. GOPS); 200 Plätze im öffentlichen Schutzraum Birmenstorf (mit dem ehemaligen Sanitätsposten); 200 Plätze in der Sanitätsstelle und ehemaligen Bereitstellungsanlage mit ehemaligem Sanitätsposten Lenzburg.

Die Behörden der drei Standortgemeinden sind vom DGS in dieser Woche vorinformiert worden.

Aufhebung der Notverordnung bei Entspannung der Unterkunftssituation

Neben der Ausrufung der Notlage erlässt der Regierungsrat eine Notverordnung. Diese enthält unter anderem auch Lockerungen für Baubewilligungsverfahren. Dadurch würden sich geeignete Unterkünfte schneller nutzen lassen und die Engpässe für die Unterbringung von Geflüchteten in den Wintermonaten besser überbrücken.

Die Notlage beziehungsweise Notverordnung wird laut Mittelung bei einer Entspannung der Unterkunftssituation so rasch als möglich wieder aufgehoben werden. (cwu)