Die schönsten Anfänge: So wurde das Internet erfunden, die Epidemiologie und die Solarzelle
Heute fliesst Strom aus den Solarzellen vom Dach, wir wissen, wie sich Krankheiten verbreiten, wie man Menschen bewusstlos macht oder Männer potent. Von den meisten wichtigen Erfindungen sind die Anfänge nicht bekannt, weil sie schon zu lange her sind, wie das Feuer machen oder die Entdeckung des Kaffees. Oder weil Dutzende von kleinen Vor-Erfindungen nötig waren, um am Ende zum Beispiel eine leuchtende Glühbirne in der Hand zu halten.
Und doch gibt es sie, die Heureka-Momente. Offenbar soll Archimedes von Syrakus während eines Bads verstanden haben, warum Gegenstände und Körper im Wasser schwimmen können. Darauf sei er nackt und «Heureka!» («Ich habe es gefunden») rufend durch die Stadt Syrakus in Sizilien gelaufen. Zum Jahresanfang folgende Geschichten zu wichtigen Anfängen für die Menschheit:
Ein Cholera-Ausbruch markiert Beginn der Epidemiologie
Mitte des 18. Jahrhunderts brach die Cholera am Golden Square in London aus. Wie der Arzt John Snow feststellte, brach die Krankheit allerdings nicht in allen Haushalten aus. Auf einer Stadtkarte zeichnete er die Haushalte mit Cholerafällen ein und markierte die Standorte der Wasserpumpen. Denn er ging davon aus, dass Wasser eine Infektionsquelle für Cholera ist.
In Gesprächen mit den Bewohnern fand er heraus, dass sich die Cholerafälle in den Haushalten häuften, die Wasser von «Pumpe A» bezogen. Nachdem Snow seine Erkenntnisse den städtischen Beamten vorgelegt hatte, wurde der Griff dieser todbringenden Pumpe entfernt und die Epidemie beendet. Eine darauffolgende Studie, wiederum während eines Cholera-Ausbruchs, bestätigte Snows Theorie zum Ausbreitungsmuster der Krankheit. Damit war der Wissenschaftszweig der Epidemiologie, die sich mit der Häufigkeit und Verteilung von Krankheiten in der Bevölkerung befasst, mit John Snow als Vater geboren.
Heutige Solarzellen dank überraschender Entdeckung
Am Anfang der heutigen Solarzelle steht eine überraschende Entdeckung von US-Wissenschaftern der «Bell-Telephone-Laboratorien» in New Jersey Anfang der 1950er-Jahre. Sie bemerkten, dass Gleichrichter, die mit Silizium arbeiteten, mehr Strom lieferten, wenn sie im Sonnenlicht standen. Silizium, auch Quarzsand genannt, ist das zweithäufigste Element in der Erdkruste und der Gleichrichter ein Bauteil, welches Wechselstrom oder Drehstrom in Gleichstrom umwandelt. Das ist für Wandlung von Sonnenenergie in Strom entscheidend.
Morton Price bei Bell fand heraus, warum mehr Strom entstand, wenn Sonne auf das Silizium strahlt, und so entwickelte die Firma Bell aus dieser Entdeckung heraus 1953 die ersten Solarzellen aus Silizium. Der Wirkungsgrad lag noch bei bescheidenen 4 Prozent. Aber schnell erkannte die Raumfahrt den Nutzen der Solartechnik und rüstete schon 1958 die ersten Satelliten mit Solarzellen aus. Diese besassen bereits einen Wirkungsgrad von 10,5 Prozent. Heute sind es bei monokristallen Solarzellen etwa 22 Prozent.
Den Effekt der Photovoltaik hatte der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Philipp Lenard aber schon 1904 erklärt. Er entdeckte, dass Lichtstrahlen beim Auftreffen auf bestimmte Metalle Elektronen aus deren Oberfläche herauslösen. Trifft Sonnenlicht also auf bestimmte Zellen, werden Elektronen in der Zelle angeregt. Sie wandern über ein Kabel und es fliesst Strom so wie später in Bells Solarzellen.
Lachgas und sein Siegeszug als Narkosemittel
Im 18. Jahrhundert versuchten sich nur wenige Mediziner an chirurgischen Eingriffen. Denn für die Patienten waren diese mit höllischen Schmerzen verbunden, Narkosemittel gab es damals noch keine. Manche Mediziner griffen zu brachialen Methoden, alkoholisierten etwa ihre Patienten oder verpassten ihnen Schläge, sodass sie ohnmächtig wurden.
Zu dieser Zeit ging der Zahnarzt Horace Wells an eine Veranstaltung, an der die Freizeitdroge Lachgas konsumiert wurde. Besonders viel davon nahm Sam Cooley, ein örtlicher Drogerieangestellter, ein. Wells beobachtete, dass sich der Mann schwer an seinem Bein verletzte – aber offensichtlich keine Schmerzen verspürte. Fortan behandelte Wells seine Patienten unter dem Einfluss von Lachgas. Das traurige Ende der Geschichte: Der Pionier Anästhesie wurde süchtig nach seinem Produkt und starb.
Durch Zufall zum Kassenschlager: Viagra
Der US-Pharmakonzern Pfizer entwickelte in den 1990er-Jahren ein Mittel, das gegen Angina Pectoris, eine Herzerkrankung, wirken sollte. Die Studie verlief zum Leidwesen der Betroffenen zunächst ernüchternd. Dennoch weigerten sich die männlichen Studienteilnehmer, das Medikament abzusetzen. Wie der leitende Wissenschafter erfuhr, hatten manche Probanden mehr Erektionen als zuvor. Pfizer erkannte das ungeahnte Potenzial der kleinen Pille, krempelte die klinische Studie um und vermarktete das Wundermittelchen später und bis heute überaus erfolgreich unter dem Handelsnamen Viagra.
«Diese Maschine ist ein Server. NICHT AUSSCHALTEN!!»
Am Cern, dem europäischen Kernforschungszentrum in Genf, arbeiten Tausende Wissenschafterinnen und Wissenschafter, viele von ihnen verbringen die meiste Zeit an Universitäten in ihren Heimatländern. Wäre es da nicht praktisch, liessen sich all die gesammelten Daten, Programme und andere Informationen automatisiert miteinander teilen?
Das überlegte sich auch der damals am Cern tätige Informatiker Tim Berners-Lee – und er blieb nicht untätig: Ende 1990 stellte er seine erste Seite, betitelt mit «World Wide Web», auf einen Computer, der als Server diente. Um zu verhindern, dass dieser versehentlich ausgeschaltet wird, klebte am Computer ein Zettelchen, auf dem stand: «Diese Maschine ist ein Server. NICHT AUSSCHALTEN!!». Nur vier Jahre später hatte das Web 10’000 Server – und heute kann sich kaum jemand mehr eine Welt ohne das «WWW» vorstellen.
Als Newton ein Apfel auf den Kopf fiel
Es war ein warmer Abend im Jahr 1666. Isaac Newton, in Gedanken unter einem Apfelbaum sitzend, fiel ein grosser, roter Apfel auf den Kopf. Warum, frage er sich der Legende nach, fällt ein Apfel eigentlich senkrecht zu Boden? «Der Grund ist gewiss, dass die Erde ihn anzieht», so seine Schlussfolgerung, mit der er das Prinzip der Schwerkraft entdeckt hatte. Genauso wird sich die Geschichte wohl nicht zugetragen haben, sondern wurde über die Jahrhunderte etwas ausgeschmückt. Aber das ändert nichts daran, dass Newton einer der einflussreichsten Physiker aller Zeiten ist.
Wie modrige Pferdesättel zu Antibiotika führten
Der britische Bakteriologe Alexander Fleming verdankt die Entdeckung des Penicillins einem Zufall: Im Jahr 1928 kultivierte er auf einer Nährbodenplatte Staphylokokken, vergass diese aber zuzudecken, bevor er in die Ferien fuhr. Bei der Rückkehr bemerkte er, dass ein Schimmelpilz in der Lösung herangewachsen war und sich in dessen Umfeld die Staphylokokken nicht mehr vermehren konnten.
Wie bei vielen Erfindungen, gibt es mehrere, welche ähnliche Ideen hatten. So erfand eigentlich schon 1910 Paul Ehrlich ein Antibiotikum gegen Syphilis. Und bereits 1896 Jahre beobachtete der französische Militärarzt Ernest Duchesne, dass die arabischen Stallknechte die Sättel extra in einer dunklen, feuchten Kammer aufbewahrten. Diese setzten dadurch Schimmelpilze an. Duchesne fragte die Stallknechte nach dem Grund und sie sagten, auf solchen Sätteln wurden die Wunden, die beim Reiten entstehen, schneller heilen. Um die Theorie zu überprüfen, verabreichte der Militärarzt kranken Meerschweinchen eine Schimmelpilzlösung, worauf alle gesund wurden. Doch der erst 23-Jährige konnte seine Forschung nicht ausbauen: Seine Doktorarbeit wurde vom Institut Pasteur abgelehnt.
Der Anfang der Atmosphäre
Über den Anfang aller Anfänge wissen wir inzwischen erstaunlich viel, obwohl kein Mensch dabei war. Vor 4,5 Milliarden Jahren bildeten die Reste früherer Sternenexplosion im All eine Wolke aus Gas und Staub, welche kollabierten und sich zu einem neuen Stern formten: der Sonne. Aus den übrigen Gas- und Staubteilchen rund herum formten sich die Planeten. Maria Schönbächler, Professorin am Institut für Geochemie und Petrologie der ETH Zürich, erforschte, wie die lebenswichtigen Materialien zur Erde kamen: Ihre Forschungsresultate zeigen, dass noch während des Wachstums unseres Planeten etwas Material von weiter draussen im Sonnensystem gekommen sei.
Die Atmosphäre schliesslich entstand, als sich die Erde in den folgenden Jahrmillionen abkühlte. «Es bildeten sich Kristalle, in die flüchtige Stoffe wie Wasser und Kohlendioxid nicht mehr hineinpassten», erklärt Schönbächler. Diese Stoffe wurden ausgegast und bildeten die erste Erdatmosphäre.
Wie die ETH schreibt, bestand die erste Atmosphäre grösstenteils aus Wasserdampf und Kohlendioxid. Damals war es mehr als 100 Grad heiss auf der Erde und die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre seien eine halbe Million Mal grösser gewesen als heute, laut Derek Vance, ebenfalls ETH-Professor am Institut für Geochemie und Petrologie. Wie die Erde das viele CO2 los wurde, weiss man noch nicht.
Die späteren Mechanismen, wie die Erde CO2 immer wieder los wird, sind bekannt – bloss dauern sie jeweils Jahrmillionen: Das Kohlendioxid gelangt durch den Regen auf die Erdoberfläche, wo es mit Verwitterungsprozessen im Gestein aufgenommen wird. Das Gestein wiederum wird in die Meere geschwemmt, wo es sich ablagert. Neues Gestein, also neue Berge, werden durch die Tektonik ständig gebildet. Und je heisser es wird, desto schneller läuft der Verwitterungsprozess ab.
«Das heisst», so Vance: «Je mehr CO2 man der Atmosphäre zufügt, desto mehr wird ihr entzogen.» Dieses negative Feedback sorgte auf der Erde für stabile Bedingungen, die es für die Evolution des Lebens über Jahrmilliarden Jahre brauchte. Sein Fazit: «Unser Planet hat die Fähigkeit, sich mit der negativen Rückkopplung als stabilisierende Kraft selbst wieder zu reparieren – allerdings über sehr lange Zeiträume.»