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«Könnte alles auf den Kopf stellen»: PSI-Forschende entdecken neues Phänomen, das für PC-Technologie revolutionär sein könnte

Neue Materialien könnten die Computertechnik revolutionieren. Forschende am Paul Scherrer Institut (PSI) haben mit Untersuchungen auf dem Weg dazu einen wichtigen Meilenstein erreicht.

Mikrochips bestehen aus Silizium und arbeiten nach dem physikalischen Prinzip des Halbleiters. Daran hat sich nichts geändert, seit in den amerikanischen Bell-Labs im Jahr 1947 der Transistor erfunden wurde. Immer wieder prophezeiten Forschende seither das Ende der Silizium-Ära – und lagen falsch, schreibt das Paul Scherrer Institut in einer Medienmitteilung. Und weiter: «Die Silizium-Technik lebt, sie entwickelt sich rasant weiter.»

Gerade habe der IT-Konzern IBM den ersten Mikroprozessor vorgestellt, bei dem die Transistorstrukturen nur noch zwei Nanometer klein sind, so viel wie 20 Atome nebeneinandergelegt. Was kommt danach? Noch kleinere Strukturen? Ja, vermutet das PSI.

Neuartige Mikrochips

In der Mitteilung heisst es weiter, dass parallel dazu in den Forschungslaboren Ideen Gestalt annehmen für eine neue Technologie, die alles auf den Kopf stellen könnte, was man bisher über Mikroelektronik zu wissen glaubte.

Ein Beispiel dafür liefert das Team von Milan Radovic: Er und zwei Mitstreiter, zusammen mit einer Gruppe der University of Minnesota (USA), arbeiten nicht mit Silizium, sondern mit Oxiden aus Übergangsmetallen (TMO). Sie zeigen aussergewöhnliche und multifunktionale Phänomene wie Hochtemperatur-Supraleitung, kolossalen magnetoresistiven Effekt, Metall-Isolator-Übergang und vieles mehr.

Milan Radovic und Eduardo Bonini Guedes (rechts) von der Forschungsgruppe Spektroskopie von Quantenmaterialien an der Strahllinie SIS der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS.
zvg / PSI

Hat das für Sie jetzt hochkomplex und vielleicht gar unverständlich geklungen? Falls ja, macht das überhaupt nichts. Das PSI klärt im Folgenden sogleich auf: «Was für den Laien zunächst verwirrend klingt, verspricht enorme Fortschritte für die Chip-Technologie der Zukunft.»

In ihrer Arbeit zu der aktuellen Veröffentlichung konzentrieren sich die Forschenden auf Barium-Zinn-Oxid (BaSnO3), das optische Transparenz mit hoher elektrischer Leitfähigkeit verbindet.

Seit einiger Zeit versuchen Forschende, Oxiden aus Übergangsmetallen sowie speziell transparenten Oxiden, etwa BaSnO3 und SrSnO3, halbleiterähnliche Eigenschaften zu entlocken. Gegenüber Silizium hätte das bahnbrechende Vorteile für optoelektronische Elemente. Hierzu schreibt das PSI: «Mit diesen transparenten und leitfähigen sogenannten Perowskiten wären Schaltelemente möglich, bei denen die elektronischen Eigenschaften direkt mit den optischen Eigenschaften gekoppelt sind. Dadurch wären Transistoren denkbar, die sich mit Licht schalten lassen.»

Wissen über Grenzschichten ist entscheidend

Alle Mikrochips seien aus Kombinationen unterschiedlicher Materialien aufgebaut. Für ihre Funktion ist es wichtig zu wissen, was sich in den dünnen Grenzschichten zwischen diesen Materialien abspielt. An ihrer Oberfläche haben manche Materialien nämlich völlig andere physikalische Eigenschaften als in ihrem Inneren.

An den Grenzen von Materialien können exotische Phasen der Materie entstehen – eine Erkenntnis, für die drei britische Physiker 2016 den Physik-Nobelpreis erhalten haben. Der jetzt veröffentlichte Beitrag beschreibe aber erhebliche Fortschritte im Verständnis der elektronischen Eigenschaften der Oberfläche von BaSnO3, schreibt das PSI.

Dabei kam die winkelauflösende Photoemissionsspektroskopie an einer Strahllinie der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS zum Einsatz, um den zweidimensionalen elektronischen Zustand bei BaSnO3 aufzudecken, der neue Perspektiven für diese Materialklasse eröffne.

Beste Voraussetzungen für Spektroskopie an der SLS

«Dass dieses Resultat gerade am PSI gelungen ist, ist kein Zufall», schreibt das Institut selbst. Die Forschenden verfügen in Villigen über ein Labor, das darauf spezialisiert ist, solche dünnen Filme herzustellen, zu modifizieren und vollständig zu untersuchen. Ausserdem biete das PSI mit seiner SLS beste Voraussetzungen, um Stoffe mit hoher örtlicher und zeitlicher Auflösung zu durchleuchten.

Solche spektroskopischen Methoden sind eine Spezialität des Schweizer Forschungszentrums. Weltweit existieren nur drei Orte, an denen alle diese Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind. Die Forschenden wollen nun herausfinden, welche anderen Stoffe noch ähnliche Eigenschaften zeigen und potenzielle Kandidaten für optische Mikrochips der Zukunft sein könnten.

Die Silizium-Technologie gehöre damit aber nicht zum alten Eisen, betont Milan Radovic. Diese sei hoch entwickelt und leistungsfähig. Aber Technologie auf Basis von Oxiden aus Übergangsmetallen sei leistungsfähiger und vielfältiger – ihre Zeit werde kommen, sagt der Forscher.