Der Fachkräftemangel spitzt sich weiter zu: So ist die Situation in der Nordwestschweiz
«Neuer Rekord», «Höchststand», «wenig Anzeichen von Entspannung»: Der Fachkräftemangel in der Schweiz hält an. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Personalvermittlers Adecco und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich.
Zwar sinke die Wachstumsrate des Fachkräftemangels aufgrund der schwächeren Konjunktur, heisst es in einer Medienmitteilung zur Studie. Betrug der Zuwachs 2022 im sogenannten Fachkräfte-Index noch 69 Prozent, so liegt er 2023 lediglich bei 24 Prozent. Bedeutet konkret: Der Fachkräftemangel nimmt weiter zu – und erreicht schweizweit einen neuen Rekord.
Was misst der Fachkräftemangel-Index genau?
Der Wert des Fachkräftemangel-Index setzt die Anzahl ausgeschriebenen Stellen pro Beruf mit den Zahlen der registrierten Stellensuchenden ins Verhältnis. Die Anzahl offene Stellen im Gesundheitswesen wird durch die Anzahl Stellensuchende geteilt. Basisjahr ist 2015. Die Kurve zeigt somit die Entwicklung seit 2015.
Wie ist die Situation im Kanton Aargau?
Genaue Zahlen für den Aargau liefert die Untersuchung nicht. Die Studie unterteilt die Schweiz in sechs Grossregionen. Die Entwicklung in der Nordwestschweiz, welche die Kantone Aargau, Basel-Stadt und Baselland umfasst, gleicht dabei der schweizweiten Entwicklung: Um 23 Prozent ist der Fachkräfte-Index angestiegen. Diese Entwicklung führen die Adecco und der Stellenmarkt-Monitor hauptsächlich auf einen spürbaren Rückgang der Stellensuchenden und eine leichte Zunahme der offenen Stellen in der Region zurück.
Welche Berufe sind in der Nordwestschweiz am stärksten betroffen?
Es ist die gleiche Antwort wie in fast allen anderen Regionen: die Gesundheitsberufe. Der Fachkräftemangel habe sich in diesem Jahr nochmals deutlich verstärkt, heisst es in der Studie. Dabei zeigt sich: Nicht nur Zürich mit seinen höheren Löhnen, sondern auch das nahe Ausland sind direkte Konkurrenten. «In Deutschland haben sich die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen in den letzten Jahren merklich verbessert. Dies schmälert die Attraktivität der Schweiz als Arbeitsort», lässt sich Corinne Schreiber, Leiterin von Adecco Medical Schweiz, in der Medienmitteilung zitieren.
Gleichzeitig hat die Nachfrage nach Software-Programmiererinnen und IT-Entwicklern etwas abgenommen. Gefragt sind sie aber weiterhin: Die Berufsgruppe ist im Ranking der Berufe mit der grössten Nachfrage von Platz zwei auf drei gefallen. Verschärft hat sich die Situation hingegen bei Ingenieuren und vergleichbaren Fachkräften. Solche Berufe belegen neu den zweiten Rang.
Welche Berufe fallen besonders auf?
Betrachtet man die Veränderung zum Vorjahr, so ist die Antwort eindeutig: Es sind Assistenzberufe in der Gesundheitsbranche oder in Betreuungsberufen. So sind in der Nordwestschweiz Dentalhygienikerinnen, Kinderbetreuer oder Pflegehelferinnen gefragter denn je – die Berufsgruppe klettert im Ranking um sechs Plätze nach oben und belegt neu den 18. Rang. Die regionale Entwicklung gleicht damit jener in Zürich. Dies deute darauf hin, dass der Bedarf an Fachkräften in sämtlichen Gesundheitsberufen in dieser Grossregion zunehme, heisst es in der Studie.
Eine andere auffällige Berufsgruppe sind Lehrkräfte: Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung macht die Studie in der Nordwestschweiz keinen besonderen Mangel aus. Tauchen Lehrerinnen und Lehrer im Ranking in der Zentralschweiz, der Ostschweiz oder in Zürich in den Top 4 der Berufe mit dem grössten Fachkräftemangel auf, so sind sie in der Nordwestschweiz unter «Ferner liefen» und belegen den 23. Rang von insgesamt 31. Unter Lehrkräfte versteht die Studie alle Personen im Bildungswesen: Professorinnen, Primarlehrer, Kindergärtnerinnen.
In welchen Berufen gibt es zu viele Fachkräfte?
Hier liegt die Nordwestschweiz im nationalen Trend: In allen Regionen werden Hilfsarbeitskräfte, Führungskräfte oder allgemeine Büroangestellte genannt.
Wie ist die Entwicklung in der Nordwestschweiz im nationalen Vergleich?
Die Nordwestschweiz steht etwas besser da als einige andere Gebiete. In der Region Espace-Mittelland (Kantone BE, SO, FR, JU, NE) ist der Index etwa um 36 Prozent angestiegen und in der Ostschweiz (TG, SG, AI, AR, GR, GL, SH) um 27 Prozent. Am wenigsten steigt der Index in der Südwestschweiz (GE, VD, VS, TI) mit 11 Prozent an.