Paukenschlag in Paris: Macron versucht den Befreiungsschlag und wechselt die Regierung aus
Es ist wie verhext. Kurz vor Weihnachten hat die Pariser Nationalversammlung Macrons neues Ausländergesetz – das laut Umfragen von fast vier Fünfteln der Franzosen begrüsst wird – gegen massive Widerstände von links durchgebracht. Ein Triumph für den Präsidenten? Nein, er steht zum Schluss wie ein Verlierer da: Von den Rechtspopulisten abhängig, von allen Seiten angefeindet, hat er weiter Sympathien und Autorität eingebüsst.
Ähnlich war es schon im vergangenen Sommer gewesen, als Macron die Erhöhung des Pensionsalters von 62 auf 64 Jahre gegen vehemente Proteste durchdrückte. Macrons zentrale Rentenreform verkam für ihn selbst zu einem Pyrrhussieg: Kaum je vor ihm war ein französischer Staatschef so unpopulär und isoliert, wie es Emmanuel Macron heute ist.
Das ist doch einigermassen paradox: Die französische Wirtschaft hat sich von der Gelbwestenkrise, der Pandemie oder den Banlieue-Krawallen relativ gut erholt; die Arbeitslosigkeit ist seit Macrons Wahl 2017 von knapp 10 auf 7 Prozent gesunken. In Berlin schreiben Kommentatoren gar, Frankreich sei ökonomisch «das bessere Deutschland».
Wo liegt dann das Problem? Nicht Macrons Reformkurs. Nein, Macrons Problem ist er selbst. «Der Präsident weiss nicht, wohin er geht», kritisierte kürzlich ein Abgeordneter der Macron-Partei Renaissance, der seinen Namen vorsichtigerweise verhehlte. «Ich habe den Eindruck, er hat seinen Kompass verloren.»
Ein anderes Schwergewicht aus dem Mitte-Lager, Ex-Minister Hervé Morin, der sich von Macron losgesagt hat, sagte es unlängst noch kürzer – und krasser: «Emmanuel Macron ist ein Narziss der ersten Ordnung.» Nichts sei ihm so wichtig wie die Selbstinszenierung, die er als begnadeter Schauspieler permanent betreibe.
Freund und Feind fragen sich, wie Macron die mehr als drei verbleibenden Jahre im Élysée überstehen will, wenn er politisch ohne Mehrheit und persönlich allseits isoliert sei. Die Editorialistin Françoise Fressoz ortet in Paris «une ambiance de fin de règne», eine Stimmung wie am Ende der Amtszeit. Dabei finden die nächsten Präsidentschaftswahlen – an denen Macron aus Verfassungsgründen nicht mehr teilnehmen kann – erst im Frühling 2027 statt.
Am Reformkurs hält Macron trotzdem fest
Wenn der hyperaktive Präsident allerdings eines verweigert, dann ist es der Status der lahmen Ente. Er ist zu eingenommen von seiner Mission, um im Élysée jahrelang Daumen zu drehen. An Neujahr bekräftigte Macron von neuem seine «Entschlossenheit», seinen Reformkurs weiterzuführen.
Den Präsidenten selbst schützt seine von der Verfassung garantierte Machtstellung. Seine grösste Gefahr wartet erst zum Ende seines Mandates – ein Sieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Macron hatte sie in den Präsidentschaftswahlen von 2017 und 2022 zu seiner persönlichen Rivalin stilisiert im Wissen, dass sie nicht mehrheitsfähig sei.
Mittlerweile ist die politische Stimmung im Land aber so zerrüttet, dass ein Triumph Le Pens nicht mehr auszuschliessen ist. Ihre Partei, das Rassemblement National (RN), hat in der Ausländerdebatte weiter gepunktet.
Dafür plant er laut Eingeweihten noch für diese Woche eine Regierungsumbildung. Neue Köpfe sollen neuen Elan bringen. Premierministerin Elisabeth Borne hat am Montagabend den Hut genommen – ein klares Bauernopfer des Präsidenten. Als mögliche Nachfolger werden Minister wie Julien Denormandie oder Gabriel Attal genannt. Auch ihre Nominierung wird aber an der Minderheitsposition der Macronisten im Parlament nichts ändern.
Falls Le Pen 2027 ins Élysée einziehen sollte, wäre das in erster Linie für den aktuellen Staatschef eine politische Niederlage. Sie würde schwerer wiegen als alle Reformsiege in zehn Jahren.