Nach Wilders-Coup: Rechtsextreme LePen träumt vom Präsidentenamt – doch Frankreichs Hürden sind hoch
Marine Le Pen beginnt zu träumen. Den Wahlsieg ihres Verbündeten Gert Wilders in den Niederlanden analysierte die Rechtspopulistin mit den Worten, das Thema Migration sei heute in Europa «absolut bestimmend». Unnötig anzufügen: Aus diesem Grund führt die Gründerin des ausländerfeindlichen «Rassemblement National» (RN) die Umfragen für die Präsidentschaftswahlen von 2027 mit 30 Prozent an, weit vor dem übrigen Kandidatenfeld.
Sollte Wilders wie Giorgia Meloni in Italien die Regierungsgeschäfte übernehmen, erhofft sich Le Pen zusätzlichen Aufwind. Sie gibt sich heute betont salon- und damit regierungsfähig, um das Image einer Tochter des notorischen Rechtsextremisten und Antisemiten Jean-Marie Le Pen abzustreifen.
Auf dem Weg zu dieser «Normalisierung», wie sie nach Wilders‘ Wahlerfolg sagte, hat sie im Oktober einen grossen Schritt vorwärts gemacht, als sie an einer Pariser Kundgebung gegen Antisemitismus teilnehmen konnte, ohne wie früher verjagt zu werden.
Würde die 55-jährige Französin bei den nächsten Präsidentschaftswahlen – bei denen Amtsinhaber Emmanuel Macron nicht mehr antreten kann – in den Elysée-Palast gewählt, wäre das ein Zeitenwechsel für ganz Europa. Eine Le Pen an der Spitze der Menschenrechtsnation Frankreich, das würde die EU in ihrer jetzigen Form nicht überleben.
Selbst Le-Pen-Wähler haben Angst vor ihr
Nur: So einfach liegen die Dinge für Le Pen auch nach Wilders Wahlsieg nicht. Die RN-Abgeordnete muss in Frankreich 2027 nicht nur den ersten Präsidentschaftswahlgang gewinnen, sondern mit mindestens 50 Prozent Stimmen auch die Stichwahl. Das unterscheidet sie von Wilders oder der Italienerin Meloni, die mit relativem Mehr Ministerpräsidentin wurde.
Zudem befürchten 70 der Franzosen – darunter laut Umfragen sogar Le-Pen-Wähler! – ein «Chaos» im Land, wenn die Rechtsextremistin die Geschicke im Land leiten würde. Deshalb gibt sich die bereits dreifache Präsidentschaftskandidatin so staatstragend wie möglich – und rückte schon mehrfach von Wilders ab.
Dessen einzigen Europa-Abgeordneten warf sie aus der Fraktion «Identität und Demokratie» im EU-Parlament, weil er «Go Putin» getwittert hatte. Wilders früherer Wunsch nach «weniger Marokkanern» in den Niederlanden bezeichnete sie am Donnerstag als «Schock». Auch seine Idee eines EU-Referendums lehnt Le Pen ebenfalls ab; das käme im europhilen Frankreich ganz schlecht an.
Wie tief die Differenzen im rechten Lager gehen, äussert sich auch darin, dass Le Pen beim nächsten Kongress von «Identität und Demokratie» keinen Vertreter Wilders duldet. Wenn nicht einmal die Verbündeten Wilders, Le Pen und Matteo Salvini den Schulterschluss schaffen, ist ein Zusammengehen mit der konservativen Rechten wie den Fratelli oder der polnischen PiS noch illusorischer.
Das Bild chronischer Zerstrittenheit unter den europäischen Rechtsradikalen schadet Le Pen sehr direkt: In Frankreich entsteht der Eindruck, sie sei unfähig zu politischen Kooperationen und letztlich: unfähig zum Regieren.