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Algerier raubte SBB-Kondukteur aus – doch statt in den Flieger nach Algier will er aus der Ausschaffungshaft

Das Bezirksgericht Laufenburg verwies im Mai 2023 einen jungen Nordafrikaner, dessen Asylgesuch gegenstandslos gewesen war, wegen mehrerer Straftaten des Landes. Doch auch nach vierzehn Monaten in Ausschaffungshaft konnte dies noch nicht vollzogen werden. Nun will er aus dem Gefängnis raus.

Ein junger Algerier reiste im Sommer 2022 illegal in die Schweiz ein. Nur wenige Monate danach wurde er mehrfach straffällig. Das Bezirksgericht Laufenburg verurteilte im Mai 2023 den damals – nach einem Altersgutachten – 19-Jährigen wegen Raubes zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Zudem verwies es ihn für sieben Jahre des Landes.

Der Algerier war einer der beiden Männer, die Anfang 2023 einen SBB-Mitarbeitenden am Bahnhof Frick verfolgten.Die beiden Männer flankierten den SBB-Mitarbeitenden am Ende einer Lärmschutzwand und fragten ihn nach Feuer. Dabei stahlen sie ihm sein Portemonnaie mit 240 Franken Bargeld. Der Angegriffene blieb mit Schürfwunden zurück. Die Polizei nahm den Algerier, dessen Asylgesuch gegenstandslos war, fest.

Inhaftierter ändert Meinung über Rückkehr

Im Juni 2023 teilte das kantonale Amt für Migration und Integration (Mika) dem Inhaftierten mit, ihn nach der Haftentlassung nach Algerien auszuschaffen. Es forderte ihn dazu auf, gültige Reisedokumente zu beschaffen. Im Juli unterzeichnete der Inhaftierte eine Freiwilligkeitserklärung, in der er den Wunsch äusserte, möglichst schnell in seine Heimat zurückkehren zu wollen. Doch bereits einen Monat später teilte er dem Mika mit, er sei nicht mehr bereit, in seine Heimat zurückzukehren.

So wurde der Algerier nach der Entlassung aus dem Strafvollzug am 17. September 2023 direkt in Ausschaffungshaft versetzt. Diese wurde bis zum 16. März 2024 verlängert. Nachdem seitens der algerischen Behörden nach über sechs Monaten keine Antwort auf die Identifizierungsfrage des jungen Mannes eingegangen war, lehnte ein Einzelrichter des Verwaltungsgerichts eine weitere Verlängerung der Ausschaffungshaft ab. Dies, weil der Mangel an konkreten Vollzugsaussichten der Ausschaffung keine Verlängerung der Ausschaffungshaft rechtfertigen würde.

Unmittelbar nach der Entlassung aus der Ausschaffungshaft nahm ihn die Kantonspolizei Zürich am 15. März 2024 fest, übergab ihn den Behörden in Basel-Stadt, wo er bis 12. April 2024 im Strafvollzug verblieb, ehe er anschliessend dem Kanton Aargau zugeführt wurde. Das Mika ordnete eine Durchsetzungshaft gegen den Algerier an. Schliesslich reichte das algerische Konsulat am 14. Mai 2024 beim Staatssekretariat für Migration (Sem) eine Liste mit identifizierten Staatsbürgern ein. Darunter befand sich auch der junge Mann, der den Raub am Fricker Bahnhof verübt hatte.

Er verweigerte Transport und Einstieg

Per E-Mail meldete das Mika den jungen Mann beim Sem für den nächsten verfügbaren Counseling-Termin an. Mit «Counseling» ist hier ein Gespräch mit Vertretern des algerischen Konsulats in Genf für ausreisepflichtige Personen, die über keinen Reisepass verfügen, gemeint. Obwohl der junge Mann den Einstieg und den Transport verweigerte und durch die Kantonspolizei Zürich gebracht wurde, konnte das Counseling dennoch erfolgreich durchgeführt werden.

Die algerischen Behörden sicherten dem jungen Mann die Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zu. Am 25. Oktober 2024 wurde er für einen begleiteten Rückflug nach Algier ohne festen Zeitpunkt angemeldet. Das Mika ordnete am 13. November 2024 die Verlängerung der Ausschaffungshaft bis zum 27. Februar 2025 an, in der sich der junge Mann seit Ende Mai 2024 befand.

Gegenüber dem Verwaltungsgericht forderte der Rechtsvertreter des jungen Mannes, dass die angeordnete Verlängerung der Ausschaffungshaft nicht zu verlängern und er aus der Haft zu entlassen sei. Im Urteil des Verwaltungsgerichts heisst es nun, dass der Haftzweck erstellt sei. Denn das Mika habe die Haftverlängerung damit begründet, dass es den jungen Mann ausschaffen und mit der Haft den Vollzug sicherstellen wollte. Auch liege eine durch das Bezirksgericht Laufenburg erstinstanzliche Landesverweisung vor, die rechtskräftig sei.

Gemäss Verwaltungsgericht sei die Haft zu beenden, wenn sich erweist, dass der Vollzug der Wegweisung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht durchführbar ist. Weil das Mika den jungen Mann am 25. Oktober 2024 für einen Abschiebeflug anmeldete, «ist der Wegweisungsvollzug nicht nur durchführbar, sondern unmittelbar bevorstehend», heisst es im Urteil. Der Umstand, dass die genaue Flugzeit unbekannt sei, ändere daran nichts.

Mangelnde Kooperation als Grund für Verlängerung

Gemäss ausländerrechtlicher Inhaftierung darf die maximale Haftdauer von sechs Monaten nicht überschritten werden. Eine Verlängerung – auf höchstens achtzehn Monate – ist nur in zwei Fällen zulässig. Erstens, wenn die betroffene Person nicht mit den zuständigen Behörden kooperiert. Zweitens, wenn sich die Übermittlung der für die Ausreise erforderlichen Unterlagen durch einen Staat, der kein Schengen-Staat ist, verzögert.

Im vorliegenden Fall befindet sich der junge Mann bereits vierzehn Monate in Haft. Durch die angeordnete Verlängerung wären es siebzehn Monate. Doch gemäss Verwaltungsgericht habe der junge Mann unter anderem angeführt, nicht mit den zuständigen Behörden zu kooperieren, namentlich nicht seine richtigen Personalien anzugeben, keine Freiwilligkeitserklärung zu unterzeichnen und nie nach Algerien zurückzukehren. «Seine andauernde Renitenz» unterstrich er weiter, «indem er den Transporteinstieg für den Counseling-Termin vom 25. September 2024 verweigerte», heisst es im Urteil.

Das Verwaltungsgericht erachtete daher eine Verlängerung der Ausschaffungshaft als zulässig – und bestätigte die angeordnete Verlängerung bis zum 27. Februar dieses Jahres.(WPR.2024.109)