EU verbietet Tätowierfarben: Kommen nun Tattootouristen in die Schweizer Grenzregion?
Das sonore Surren der Tätowiernadel wird weniger in deutschen Tattoostudios – zumindest wenn es farbige Hautbilder werden sollen. So will es die EU-Chemikalienverordnung Reach, welche die Grenzwerte von Konservierungs- und Bindemitteln, die auch in Tattoofarben zu finden sind, deutlich herabgesetzt hat.
Das spüren Tätowierstudios europaweit und natürlich auch im benachbarten Deutschland. Mo Wick vom Studio Modification in Bad Säckingen denkt positiv, auch wenn aktuell 15 bis 20 Prozent der Tattoos nicht umgesetzt werden können. «Es gäbe zwar neue Farben, die den Standards von Reach standhalten», so Wick, aber: «Die sind momentan nicht lieferbar.»
Noch haben die Kundinnen und Kunden Geduld
Hat die Inhaberin des seit über 20 Jahren bestehenden Studios das Gefühl, dass die Kundschaft nun zum Stechen in die Schweiz geht?
«Nein, unsere Kunden sind treu, geduldig und warten, bis die Farben wieder verfügbar sind.»
Ausserdem seien die Preise fürs Tätowieren in der Schweiz meist um einiges höher. Wick und ihre Kollegen haben keinerlei Verständnis für das Inkrafttreten der Verordnung, sehen aber ein noch grösseres Problem bei den anstehenden Verboten von Pigmenten für die Farben blau und grün, die Anfang 2023 möglicherweise ausgesprochen werden.
«Das hätte zur Folge, dass weit über 65 Prozent der Farben fehlen würden», betont Wick und das mache weitaus mehr Bauchschmerzen. Nur die Petition «Save the pigments» könne dies noch verhindern.
Geeignete Tattoofarben sind in ein paar Monaten wieder zu haben
Wick ist optimistisch und sieht die Belieferung mit Reach-konformen Farben in zwei bis drei Monaten als realistisch. Bis dahin bleibt es bei farblosen Tattoos.
Ähnlich denkt auch Sandra Matthis vom Tattoostudio Neverland in Frick. Obwohl das EU-Verbot der Tätowierfarbe das Studio noch nicht betrifft, sorgt man auch hier vorsichtshalber vor. Matthis sagt:
«Natürlich haben wir ein komisches Gefühl, was die Farben und das Verbot angeht. Die Anbieter haben aber schon mit der Produktion konformer Farben begonnen und können in wenigen Monaten liefern.»
Bis auf wenige Anfragen deutscher Kundinnen und Kunden ennet des Rheins ist ein Ansturm auf Termine des seit Februar 2017 bestehenden Studios ausgeblieben. «Tatsächlich haben wir aber auch weniger Kundschaft, die farbige Tattoos wünschen», erklärt Matthis. Trotzdem sorgt man sich, dass die Verbote auch die Schweiz treffen könnten.
Unverständnis über Verbote
Unverständnis auch bei Matthis, die betont, wie gerade in ihrem Bereich auf Hygiene geachtet wird. «Wir arbeiten sauber und steril und nach besten Standards, aber in der Kosmetikbranche dürfen Lippen mit Hyaluronsäure und Botox aufgespritzt werden.» Das ginge schliesslich viel tiefer als nur in zwei Hautschichten. Ausserdem seien Tattoos mittlerweile Kult und gehörten zur heutigen Gesellschaft.
Die Kundinnen und Kunden reagieren unterschiedlich auf die Neuerung. Jennifer Egerer aus Rickenbach/D beispielsweise würde auch auf Schweizer Studios ausweichen. Es gäbe auf beiden Seiten des Rheins tolle Künstler. Über die Gefährlichkeit der Farben mache sich sich keine Sorgen.
Jana aus Albbruck sagt hingegen: «Gerade in dieser Situation würde ich lieber deutsche Tätowierer unterstützen.» Ihre Sorge über toxische Inhaltsstoffe gelte eher Lebensmittelzusätzen als Tätowierfarben.