«So etwas habe ich noch nie erlebt»: Regenwetter lässt Steinpilze so massiv spriessen wie schon lange nicht mehr
Sie hatten das Pilzjahr 2022 schon fast abgeschrieben. Zu heiss und zu trocken: Noch Anfang September waren auch Fricktaler Pilzlerinnen und Pilzler davon ausgegangen, dass sie dieses Jahr nicht mehr viel zu erwarten haben. Doch dann, mit dem Regen, kam die Wende. «Ab dann ist es schier explodiert», sagt Benno Zimmermann, Pilzkontrolleur in Wittnau. Auch Zimmermanns Kollegin Lotti Rösti aus Herznach erklärt:
«Zwei Wochen nach den grossen Regen schossen die Pilze aus dem Boden.»
Und nicht allein die schiere Menge an Pilzen trieb die Sammlerinnen und Sammler in die regionalen Wälder, sondern auch deren Qualität. Denn eines sprach sich schnell herum: Unter dem, was 2022 vor allem spriesst, ist der Steinpilz, der König der Speisepilze, ganz vorne. «In so grosser Menge gab es den schon lange nicht mehr», sagt Rösti.
«Völkerwanderung» in den Wäldern von Kaisten und Oeschgen
Schnell wurde es entsprechend voll. Rösti spricht von einer «Völkerwanderung», die sich allein am Sonntag, 18. September, rund um Oeschgen und Kaisten ereignet haben soll. Sammlerinnen und Sammler hätten die Steinpilze in riesigen Mengen in ihre Körbchen gelesen. Und sie danach zu Rösti gebracht, dass diese bestätigte, dass es sich wirklich um Steinpilze handelt. Noch krasser hat es Zimmermann erlebt. Er erzählt:
«Innerhalb von zwei Wochen habe ich 50 Kilo Steinpilze kontrolliert. Ich bin seit 1995 Kontrolleur, aber so etwas habe ich noch nie erlebt.»
Und nicht allein der hierzulande verbreitete Sommersteinpilz sei unter den Funden gewesen, auch der zuvor nur in mediterranen Gefilden wachsende Bronze- oder Schwarzhütige Steinpilz. Dass dieser jetzt auch in nördlicheren Lagen wie dem Fricktal wächst, freut den Wittnauer Pilzexperten. «Sensationell» sei das.
27 Jahre ist Zimmermann schon Kontrolleur. Noch länger, seit 37 Jahren, ist es Peter Thomann aus Wallbach. Und auch er sagt:
«So viele wie 2022 kamen noch nie zu meinen Pilzkontrollen.»
Dreiviertel davon hätten ihre Funde dabei im Schwarzwald gemacht, sagt er. Im unteren Fricktal zu sammeln, mache kaum noch Spass. «Zu abgegrast» – so Thomanns Erfahrung – auch von Leuten, die aus Basel und dem Baselbiet herüberkämen.
Pilzsammlerinnen asiatischer Herkunft erstmals auch im oberen Fricktal
Dass Frauen asiatischer Herkunft die Wälder rund um Rheinfelden, Magden und Kaiseraugst systematisch nach Pilzen absuchten, wird schon länger behauptet. Neu sei 2022, dass diese nun auch in Wäldern des oberen Fricktals gesehen worden seien, sagt Rösti.
Aber Zimmermann sagt: «Ich denke, es haben 2022 bei den Steinpilzen alle ordentlich zugelangt.» Und es sei ja auch legal, gebe es doch im Aargau keine Obergrenze, wie viel gesammelt werden darf.
Zimmermann hat der Job als Pilzkontrolleur dieses Jahr stark gefordert. Aber er ist auch froh, dass so viele Leute kamen. Sei doch auch bei Steinpilzen die Gefahr einer Verwechslung mit dem ungeniessbaren Gallenröhrling gross. Auch so manche vermeintlichen Wiesenchampignons habe er aussortieren müssen. Denn in Wirklichkeit seien es mit dem Karbolchampignon giftige Doppelgänger gewesen.