Abtreibungsdebatte beschäftigt auch im Aargau: Jungfreisinnige fordern straffreie Abtreibungen bis zur 24. Woche
Vergangene Woche entschied der Oberste Gerichtshof der USA, dass das Recht auf Abtreibung nicht mehr geschützt wird. Zahlreiche amerikanische Bundesstaaten bereiten nun Gesetze vor, um Abtreibungen zu verbieten. Darauf folgte eine Protestwelle. Nun läuft die Abtreibungsdebatte auch in der Schweiz, wo Abtreibungen grundsätzlich illegal, aber bis zur zwölften Woche straffrei sind. Nach der zwölften Woche muss ein Arzt oder eine Ärztin bestätigen, dass die Abtreibung nötig ist – ansonsten drohen sowohl der Frau, die abgetrieben hat, als auch deren Ärztin eine Strafe.
Ein überparteiliches Bündnis aus Mitgliedern von SVP, EDU und Mitte hat im Dezember zwei Initiativen eingereicht, in denen eine Verschärfung der heutigen Gesetzeslage gefordert wird. In der sogenannten «Einmal darüber schlafen»-Initiative wird gefordert, dass mindestens 24 Stunden zwischen einem Beratungsgespräch und der tatsächlichen Abtreibung vergehen müssen. In der zweiten Initiative wird gefordert, dass Abtreibungen nach der 22. Woche weitgehend verboten werden – Ausnahmen wären einzig noch Notlagen, in denen ohne eine Abtreibung die Gesundheit der Schwangeren gefährdet würde.
Jungfreisinnige fordern straffreie Abtreibung
Forderungen zum Thema Abtreibung kommen nun auch im Aargau auf: Die Jungfreisinnigen Aargau wollen, dass Abtreibungen in der Schweiz bis zur 24. Woche straffrei werden. «Das Abtreibungsrecht in der Schweiz ist völlig rückständig und einer aufgeklärten Gesellschaft unwürdig», begründet Parteipräsident Tim Voser. «Der Staat hat sich in diesen schweren Entscheid einer Frau nicht einzumischen.» Die Jungfreisinnigen fordern den Kanton Aargau deshalb dazu auf, sich auf Bundesebene für ihren Vorschlag einzusetzen.
Jérôme Schwyzer: «Abtreibungen sind Morde»
Gegen eine weitergehende Lockerung der aktuellen Regelungen ist Jérôme Schwyzer, der sich in seiner Twitter-Bio als «Pro-Life Advocate» bezeichnet und abtreibungskritische Organisationen verlinkt. Er unterstützt beide Initiativen und sagt: «Ich bin für das Leben – und Abtreibungen sind gegen das Leben, sie sind Mord.»
Keine Schwangere müsse ihr Kind aufgrund ihrer Lebenssituation abtreiben, ist Schwyzer überzeugt. «Es gibt in jeder Situation Hilfe, die es möglich macht, ein Kind grosszuziehen.» Die Initiative, die 24 Stunden Bedenkzeit fordert, unterstützt Schwyzer, weil er sie «für das blosse Minimum» hält. «Man muss Schwangere vor einer überstürzten Entscheidung für eine Abtreibung schützen», so Schwyzer.
Hunziker: «Angriff auf die Selbstbestimmung der Frau»
Ganz anders sieht das Lelia Hunziker, SP-Grossrätin und Geschäftsführerin der Fachstelle für Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ). Zum Urteil in den USA sagt Sie: «Das ist ein konkreter Angriff auf die Selbstbestimmung und auf den Körper der Frau.» Wenn Abtreibungsrechte eingeschränkt werden, so Hunziker, werde «Frauen von moralischen, privilegierten Instanzen das Recht abgesprochen, bewusst und selbstbestimmt zu entscheiden und für sich zu sorgen».
Mia Jenni: «Initiative ist lächerlich»
Das sieht auch Mia Jenni, SP-Einwohnerrätin in Obersiggenthal und Vizepräsidentin der Juso Schweiz, so. «Diese Initiativen sind ein Angriff auf die Rechte der Frauen», findet sie. Die Entscheidung darüber, ob ein Kind ausgetragen werden soll oder nicht, solle jene Person treffen, die schwanger ist.
«Immerhin ist sie auch diejenige, die während der Schwangerschaft mit den Beschwerden leben muss, was nicht zu unterschätzen ist», so Jenni weiter. Ausserdem verfehle die «Einmal-darüber-schlafen»-Initiative die Lebensrealität der Schwangeren. «Ein Kind abzutreiben, ist sowieso ein schwerer Entscheid, den man nicht einfach so trifft.» Dies gesetzlich festzuschreiben, sei «einfach lächerlich», sagt Jenni.
Seibert: «Schwierige ethische Fragen»
Uriel Seibert (EVP) verortet seine eigene Position in der Abtreibungsfrage irgendwo zwischen derjenigen von Jérôme Schwyzer und Mia Jenni. «Es sind ethisch sehr schwierige Fragen, die in der Debatte über Abtreibungen verhandelt werden», sagt Seibert. Er wünsche sich eine differenzierte gesellschaftliche Debatte, heute werde die Entscheidung für oder gegen eine Abtreibung «banalisiert».
Grundsätzlich ist Seibert aber – wie Schwyzer – gegen Abtreibungen und hat beide Initiativen unterschrieben. «Wir sollten uns nicht das Recht rausnehmen, über ein Kinderleben zu entscheiden», findet er.