
Ein Drama im Nati-Camp und die Frage: Machts Murat Yakin wie Paul Wolfisberg?
In den 80er-Jahren kannten Schweizer Nationalspieler eine EM oder WM nur vom Hörensagen. Das war mitten in der 28-jährigen Phase, als die Schweiz alle Turniere zwischen der WM 1966 und der WM 1994 verpasste. Stellvertretend für die Dürre-Periode: Von April 1985 bis Mai 1986 gelang der legendären «Abbruch-GmbH» mit Egli, Geiger, Herrmann und Co. in neun aufeinanderfolgenden Länderspielen kein Sieg. Die historische Negativ-Serie läutete das Ende auf dem Trainerstuhl von Kultcoach Paul Wolfisberg ein.
So weit ist die aktuelle Nati-Ausgabe noch nicht. Nach dem 1:1 am Freitag in Nordirland sind es «erst» acht sieglose Spiele in Folge. Angefangen mit der Niederlage im Penaltyschiessen im EM-Viertelfinal gegen England, fortgesetzt mit dem resultatmässig komplett missratenen Nations-League-Herbst 2024 inklusive Abstieg in die Liga B – und nun der müde Kick zum Start des neuen Jahres in Nordirland.
Sieglos-Serie ist Abbild der Mängelliste
Natürlich, man darf nicht bei allen acht vergangenen Partien den gleichen Massstab ansetzen. In extremis gegen den späteren EM-Finalisten England zu verlieren, ist alles andere als eine Schande. Ebenso wie die Niederlagen in der Nations League gegen Europameister Spanien. Hingegen dürfen alle verpassten Siege gegen Dänemark, Serbien und nun im Testkick in Nordirland unter «Ziel nicht erfüllt» abgebucht werden.
Klar ist aber: Teil einer so langen Sieglos-Serie will kein Nati-Mitglied sein, egal ob Staffmitglied oder Spieler. Schon gar nicht, wenn sie historische Dimensionen anzunehmen droht. Kein Sieg am Dienstag in St. Gallen gegen Luxemburg – und Murat Yakin und seine Mannschaft würden statistisch in die dunklen Achtzigerjahre zurückgeworfen. Das will keiner.

Bild: Toto Marti / Blicksport
Ebenso klar ist: Acht sieglose Spiele in Folge sind für ein ambitioniertes Nationalteam wie die Schweiz ein Abbild von Mängeln. In Nordirland waren sie abgesehen vom Goalie in allen Mannschaftsteilen anzutreffen, was einmal mehr die totale Abhängigkeit von Captain Granit Xhaka unterstrich. Dass Murat Yakin nach dem 1:1 in Belfast von einem «gelungenen Auftakt» ins Jahr 2025 sprach, irritierte alle, die das Spiel gesehen haben.
Drama um Nati-Juwel
«Ich werde im Sommer ins Ausland wechseln», versicherte Alvyn Sanches (22) vergangene Woche im Nati-Trainingslager. Diese Prognose ist nun stark in Frage gestellt. Denn nach seiner Einwechslung in Nordirland verdrehte sich das Offensivjuwel von Lausanne-Sport das rechte Knie. Am Sonntag bestätigt sein Arbeitgeber die befürchtete Diagnose: Kreuzbandriss und monatelanger Ausfall.
Yakin treibt sein Casting weiter voran
Die Worte waren aber auch typisch Yakin, der den Resultaten von Testspielen wenig bis gar keine Wichtigkeit schenkt. Er tut das erst dann, wenns zählt. Das war vor einem Jahr so, als das Auftreten der Nati vor der Europameisterschaft Böses erahnen liess, dann aber im historischen Viertelfinal-Einzug mündete. Das gleiche gilt 2025: Relevant sind für Yakin die sechs WM-Qualispiele im Herbst. In diesen gibt es etwas zu gewinnen – und in diesen entscheidet sich, ob der Natitrainer 2026 weiterhin Murat Yakin heisst.
Bis dahin haben Resultate für Yakin sekundäre Bedeutung. Auch wenn ihm bei einem weiteren «Nicht-Sieg» gegen Luxemburg, was notabene eine Peinlichkeit wäre, der Vergleich mit Wolfisberg vorgehalten wird. Yakin wird am Dienstag unbeirrt sein Casting vorantreiben: Wohl mit Yvon Mvogo im Tor und mit Neuling Lucas Blondel am rechten Flügel. Dazu dürfte Albian Hajdari zu seinem ersten Länderspiel-Einsatz kommen.