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Cristiano Ronaldo ist ein Phänomen, ohne Frage, doch wie sehr hilft er Portugal noch?

Cristiano Ronaldo setzt bei seinem ersten EM-Auftritt einen weiteren Rekord, doch das entscheidende Tor erzielt ein Jüngling. Zuvor hat der Altmeister eine eher zahnlose portugiesische Offensive angeführt.

Eineinhalb Jahre ist es nun her, dass Cristiano Ronaldo die Stadien Europas verlassen hat, um seine Karriere in Saudi-Arabien zu vergolden. Natürlich hat den Portugiesen niemand vergessen, aber ein wenig ist die Erinnerung an ihn schon verblasst.

Als der Stürmer jetzt an der EM wieder auf die grosse Fussball-Bühne zurückkehrt, beim Gruppenspiel seiner Portugiesen gegen Tschechien, da dauert es nicht lange, bis auch der Letzte im Stadion begriffen hat: Ronaldo ist nicht nur zurück. Er ist auch immer noch so, wie er früher war.

Es gibt den einen oder anderen Ronaldo-Moment in Leipzig. Die Inbrunst, den Stolz auch, mit der er die Nationalhymne seines Landes schmettert. Die Arme, die später immerzu durch die Luft rudern und rufen: der Ball, zu mir, jetzt. Die berühmte Cowboy-Pose vor einem Freistoss. Der Sprung in den Leipziger Nachthimmel vor einem Kopfball. Die Siegerfaust zum gegnerischen Goalie, nachdem die Portugiesen das Spiel doch noch gewonnen haben, als eigentlich niemand mehr daran glaubte.

Man kann das unsportlich finden. Oder einfach als Ausdruck davon sehen, wie sehr Ronaldos Ehrgeiz immer noch in ihm brennt. Der Portugiese ist diesbezüglich ein Phänomen, keine Frage.

Team der Silberrücken

Ronaldo, der Mann, der schon so viele Bestmarken sein eigen nennen darf, etwa jene für die meisten Länderspieltore, stellt auch an diesem Abend in Leipzig weitere Rekorde auf. Er ist nun der einzige Fussballer, der an sechs verschiedenen Europameisterschaften gespielt hat. Und er ist auch, mit 39 Jahren, 4 Monaten und 13 Tagen, der älteste Stürmer, der je an einer EM auf dem Platz stand. Der älteste Feldspieler heisst seit Dienstagabend Pepe, über 41 ist der schon und ein Teamkollege von Ronaldo. Portugal, das Team der Silberrücken.

Eigentlich ist Ronaldo an diesem Tag nach Leipzig gekommen, um auch der älteste EM-Torschütze zu werden. Doch daraus wird nichts. Der Freistoss landet in den Armen des Goalies. Ein Kopfball neben dem Tor, ein anderer am Pfosten, wobei Ronaldo da zuvor im Abseits gestanden hat.

Vergeblicher Lauf in die Tiefe: Ronaldo gegen Tschechien.
Bild: Sunday Alamba/AP

Den Altmeister begleitet schon länger die Frage, wie sehr er dem portugiesischen Nationalteam noch hilft. Und ob er es in seiner Entwicklung nicht auch hemmt, gar behindert, weil sich immer noch alles um ihn dreht. Er anderen den Platz raubt, jüngeren Kräften, die dem Team eigentlich mehr geben könnten.

Er berührt den Ball so selten wie kein anderer Portugiese

Ronaldo nimmt viel Raum ein, so war das immer, und so ist es geblieben. Gegen Tschechien gibt er den Mittelstürmer, in den er sich schon vor längerer Zeit verwandelt hat. Und er hat durchaus seine Momente. Der 39-Jährige feuert die meisten Schüsse ab, hat einmal eine wunderbare Idee, als er Vitinha mit der Hacke in Szene setzt.

Aber es ist auch Ronaldo, der so wenige Ballkontakte hat wie kein anderer Portugiese und der sich selten am Kombinationsspiel seines Teams beteiligt. Es ist Ronaldo, dem zuweilen das Tempo fehlt, wenn es mal etwas schneller geht, und der dann nicht dort steht, wo er eigentlich stehen sollte. Es ist Ronaldo, der einen portugiesischen Sturm anführt, der sich lange so schwer tut gegen die Tschechen.

Natürlich verbarrikadieren sich die zuweilen regelrecht in der eigenen Platzhälfte, verteidigen mit Disziplin und Wille. Doch der portugiesischen Offensive um Captain Ronaldo fällt auch nicht allzu viel ein. Dabei steckt im Kader der Iberer so viel Talent wie in kaum einem anderen; das macht sie zu einem der Favoriten auf den EM-Titel.

In der zweiten Halbzeit verschwindet Ronaldo über weite Strecken aus dem Spiel, und eine Zeit lang sieht es nicht gut aus für sein Team. Die Tschechen gehen gar überraschend in Führung, bringen die Portugiesen dann aber mit einem Goaliefehler zurück ins Spiel.

Gerade noch mal gut gegangen: Ronaldo feiert mit Conceição den Siegtreffer.
Bild: Abedin Taherkenareh/EPA

Portugals Trainer Robert Martinez tauscht in der Schlussphase sein Personal munter aus. Ronaldo, der Unauswechselbare, bleibt auf dem Rasen. Und beobachtet in der 92. Minute aus nächster Nähe, wie Pedro Neto und Francisco Conceição, zwei junge Einwechselspieler, doch noch den portugiesischen Siegtreffer erzwingen. Es kommt an diesem Abend gerade noch einmal gut für Portugal. Ob das an dieser EM auch für Ronaldo gilt, muss sich aber noch zeigen.

Das entscheidende Tor im Video: