«Ganz klar eine Frage der Qualität»: Die Schweizer Bundesliga-Delegation schrumpft
Nach mehreren gescheiterten Versuchen in der Vergangenheit, den FC Augsburg zugunsten eines Glamourklubs hinter sich zu lassen, geht der Wunsch für Ruben Vargas mit dem Wintertransfer zum FC Sevilla zumindest halbwegs in Erfüllung.
Schön für den 50-fachen Nationalspieler, weniger gut für den Ruf des Schweizer Fussballs in Deutschland: Vargas‘ Abgang nach Spanien verkleinert die Schweizer Delegation in der Bundesliga um einen weiteren Profi: Da waren es nur noch zwölf! Weniger als halb so viele Söldner, wie Österreich (26) sie stellt. Von den 31 Franzosen ganz zu schweigen. Die Schweizer Delegation in der Bundesliga ist nun so gross wie jene der Kroaten.
Was für ein Wandel in nicht einmal zehn Jahren! In der Saison 2016/17 tummelten sich noch 25 (!) Schweizer in den 18 Bundesliga-Kadern – in doppelter Hinsicht ein Rekord: Davor und danach waren es nie mehr. Und damals waren die meisten Ausländer in der Bundesliga Schweizer. Vor Österreich (21), vor Brasilien (17), vor Spanien (13) und vor Frankreich (12). Die Differenz zu den heute gleich stark gefragten Kroaten betrug Welten – 25:8.
Die zwölf verbliebenen Bundesliga-Schweizer
Granit Xhaka (Leverkusen)Gregor Kobel (Dortmund)Aurèle Amenda (Frankfurt)Nico Elvedi (Gladbach)Jonas Omlin (Gladbach)Silvan Widmer (Mainz)Fabian Rieder (Stuttgart)Leonidas Stergiou (Stuttgart)Cédric Zesiger (Wolfsburg)Noah Loosli (Bochum)nBruno Ogbus (Freiburg)Johan Manzambi (Freiburg)
Schweizer in die Bundesliga – das ergibt Sinn: Für die Spieler, weil sie keine neue Sprache und keine neue Kultur erlernen müssen. Für die Vereine, weil die Neuzugänge wenn, dann nur sportliche Eingewöhnungszeit brauchen. Das war früher und ist heute so. Worin sonst gründet der Schweizer-Schwund in der Bundesliga?
Ein langjähriger Berater, der zahlreiche Transfers aus der Super League nach Deutschland begleitete, sagt schonungslos: «Wenn ein deutscher Klub aus zwei gleich guten Spielern mit unterschiedlicher Nationalität auswählen kann, nimmt er auch heute noch zu 99 Prozent den Schweizer. Es ist also ganz klar eine Frage der Qualität.»
Und das auf mehreren Ebenen: Die Schweizer U-Nationalteams befinden sich im Tief. Im Europacup sind Exploits von Schweizer Vereinen seltener bis inexistent geworden, auf höchstem Niveau können die Super-League-Vertreter schon länger nicht mehr mithalten. Siehe YB, das in dieser Saison sämtliche sechs Champions-League-Spiele verlor.
In den Zehnerjahren erreichte der FC Basel in der Königsklasse drei Mal die Achtelfinals und je einen Halb- und Viertelfinal in der Europa League. Es gab Siege gegen Chelsea, Bayern München, Manchester United und Liverpool. Nebenbei wurde die Schweizer U21 Vize-Europameister, die U17-Weltmeister von 2009 wurden zu gestandenen Profis. Das alles ergab eine Sogwirkung, Spieler aus der Super League, entsprechend auch viele Schweizer, waren gefragt. Oder mit den Worten des Spielerberaters: «Vor zehn Jahren sassen in der Super League noch die Sportchefs auf der Tribüne. Heute sind es meistens die Scouts Nummer 13 und 14.»
Junge Schweizer von mittelmässigen Ausländern verdrängt
Öffnet man den Rahmen «Bundesliga», wird das Bild nur minim besser. Zwar sind die Schweizer Delegationen in Italien, Frankreich und Spanien grösser als 2016/17, aber im einstelligen Bereich. In der englischen Premier League, der besten Liga der Welt, waren es vor acht Jahren noch sechs Schweizer – heute noch zwei. Ein weiterer Vergleich untermauert die Einschätzung des Spielerberaters: Während der Saison 2015/16 wechselten 24 Fussballer aus der Super League in eine der fünf europäischen Topligen, in der laufenden Spielzeit waren es bislang acht.
Die Entwicklung auf dem Transfermarkt passt zum Nachwuchsproblem, das beim Schweizer Fussballverband die Alarmglocken schrillen lässt – und schnellstmögliche Gegensteuer verlangt, will die A-Nationalmannschaft auch mittel- und langfristig Dauergast an Endrunden sein: Junge Schweizer werden in der Super und Challenge League von mittelmässigen Ausländern verdrängt.
Ein Zusammenspiel mehrerer Ursachen, so der Spielerberater: «In anderen Ländern wird moderner ausgebildet, etwa in Skandinavien. Dänemark, Norwegen und Schweden stellen deutlich mehr Bundesliga-Profis als die Schweiz. Und von den Junioren mit Migrationshintergrund ordnen längst nicht mehr alle alles der Fussballkarriere unter, das Planen wird in diesen Kreisen schweizerischer: erst ein Beruf, dann Fussball.»
Zurück in die Bundesliga: Die startet am Freitagabend mit dem Knüller Dortmund – Leverkusen in die Rückrunde. Es ist auch das Duell der Schweizer Nationalspieler Gregor Kobel und Granit Xhaka. Der BVB-Goalie und der Leverkusen-Stratege sind von den zwölf verbliebenen Bundesliga-Schweizern die einzigen mit gewichtigen Rollen in ihren Klubs. Alle anderen sind verzichtbar (geworden) oder erst auf dem Weg zu Stammkräften. Auch das ein Bild, das aus Schweizer Sicht schon schöner aussah.