Sogar Julian Nagelsmann schwärmt: In diesem Nati-Star schlummert das Shaqiri-Gen
Welche Nati-Momente sind auch noch in zehn Jahren unvergessen? Ganz frisch in den Köpfen ist Xherdan Shaqiris genialer Weitschuss an der EM 2024 gegen Schottland. Dann natürlich Yann Sommers Penaltyparade 2021 gegen Kylian Mbappé, ehe wieder Shaqiri auf die Bühne tritt: Das Last-Minute-Siegtor an der WM 2018 gegen Serbien, der monumentale Fallrückzieher an der EM 2016 gegen Polen, der Hattrick an der WM 2014 im entscheidenden Gruppenspiel gegen Ecuador.
Die Liste mag unvollständig sein, der rote Faden beim Blick zurück in die jüngere Vergangenheit aber ist unverkennbar: Es war ein kleiner Kreis von Spielern, die bleibende Erinnerungen schufen – und die für die regelmässigen Exploits der Nati sorgten. Die Ausnahmekönner. Doch Sommer und Shaqiri sind seit dem EM-Viertelfinal im Juli gegen England Geschichte. Wer sorgt in Zukunft für die Sternstunden?
Ohne neue Shaqiris keine Nati-Exploits mehr?
Peter Knäbel, langjähriger Funktionär und Beobachter des Schweizer Fussballs, sagt gegenüber CH Media: «Am Ende sind es auch die Ausnahmetalente, die regelmässige Turnierteilnahmen und Exploits wie einen EM-Viertelfinal erst möglich machen.» Anders gesagt: Ein kleines Land wie die Schweiz, wo die Weltklasse-Spieler nicht wie etwa in Frankreich vom Fliessband fallen, hat nur als Team, ohne die Glanzmomente seiner herausragenden Individualisten, letztlich kaum eine Chance im Wettbewerb mit den Grossen.
Im Tor ist mit Gregor Kobel die durch Sommers Rücktritt entstandene Lücke bereits gefüllt. Aber wer beerbt Shaqiri? Es gibt nun in der Nati keinen linken Fuss mehr wie den seinen. Es hat momentan keiner die List, die Genialität und die Frechheit, mit denen Shaqiri Spiele aus dem Nichts entschied. Es gibt auch keinen zuverlässigen Scorer im Team, der mit Kaltschnäuzigkeit beim Torabschluss mangelnde Kreativität auffangen könnte.
Zur Verdeutlichung: Das für die Nations-League-Spiele gegen Serbien und Dänemark nominierte Kader vereint zwar immerhin 736 Länderspiele, aber nur 69 Tore. Aktueller Toptorschütze ist der im Sturmzentrum gesetzte Breel Embolo, der für seine 15 Treffer stolze 70 Spiele benötigte.
Sogar Julian Nagelsmann ist begeistert von Dan Ndoye
Die chronische Ineffizienz hängt auch an Dan Ndoye wie ein Etikett. Trotzdem: Die Suche nach dem Spieler, in dem am ehesten das Shaqiri-Gen schlummert, führt zum 23-Jährigen. Spätestens seit seinen Auftritten im vergangenen Sommer an der EM weckt er Fantasien. Pfeilschnell, lauffreudig, trickreich, mutig – und ausgestattet mit dem gewissen Etwas, mit dem Zeug zum Publikumsliebling. Während der EM lud er einen Fan, dem er mit einem missratenen Abschluss die Brille vom Kopf schoss, zu einem Länderspiel ein. Bei seinem Arbeitgeber Bologna ist Ndoye schon in der zweiten Saison seit dem Wechsel vom FC Basel das Aushängeschild, sein Gesicht auf Social Media oder bei der Trikotpräsentation stets zuvorderst.
Für Ndoyes bislang einziges Länderspieltor beim 1:1 im EM-Gruppenspiel gegen Deutschland gabs Lob vom gegnerischen Trainer Julian Nagelsmann («höchstes Level»). Und wäre er im Sommer den Avancen interessierter Klubs erlegen, würde Ndoye heute vielleicht Profi bei Manchester United sein. Das sind alles Shaqiri-Dimensionen.
«Im Abschluss muss ich mich verbessern – und das werde ich dank harter Arbeit. Noch ein Jahr in Bologna ist das Beste für meine Karriere», sagt er. Dort hat er auch unter dem neuen Trainer Vincenzo Italiano Spielpraxis auf sicher. Die braucht er, um auch im Trikot der Schweizer Nati die gestiegenen Erwartungen an seine Person erfüllen zu können. Bei den Niederlagen gegen Dänemark und Spanien Anfang September fehlte er verletzungsbedingt, nun ist er zurück – und soll seinen Teil dazu beitragen, den Fehlstart in die Nations League zu korrigieren und ein Kippen der Stimmung ums Team ins Negative zu verhindern.
«Druck? Nein, mein Antrieb ist der Spass am Fussball», sagt Ndoye und lächelt.