Ter Stegens Drama: Kehrt jetzt Manuel Neuer zurück ins Tor der Deutschen?
Marc-André ter Stegen mit grossen Schmerzen auf dem Rasen. Marc-André ter Stegen am Hinterausgang eines Krankenhauses, im Rollstuhl. Diese Bilder aus Villarreal schockten nicht nur Hansi Flick. Auch Julian Nagelsmann ist in grosser Sorge. Das Verletzungsdrama um den Torwart des FC Barcelona und der deutschen Fussball-Nationalmannschaft liess niemanden kalt.
Noch vor der offiziellen Diagnose aus Spanien war offenkundig: Ter Stegen fällt kurz nach seiner über Jahre herbeigesehnten Beförderung zur Nummer eins im deutschen Tor als Nachfolger von Manuel Neuer mit einer Knieverletzung aus. Der Kapitän des FC Barcelona wird demnach wohl auch im Champions-League-Spiel gegen den BSC YB am nächsten Dienstag fehlen. Wie lange der Torhüter ausfällt, ist unklar.
Flick und Nagelsmann brauchen Lösungen
Flick muss als Club-Coach schnell Antworten finden, wer ter Stegen bei Barça als Kapitän und im Tor vertreten soll. Doch auch sein Nachfolger als deutscher Bundestrainer braucht rasch eine Antwort. Schon in der kommenden Woche will Nagelsmann seinen Kader für die nächsten Länderspiele in der Nations League in Bosnien-Herzegowina (11. Oktober) und in München gegen die Niederlande (14. Oktober) benennen. Seine «klare Nummer eins» ter Stegen wird absehbar nicht verfügbar sein.
Der schnelle Fan-Reflex: Jetzt muss Neuer seinen DFB-Rücktritt rückgängig machen. Doch Nagelsmann wird ganz genau abwägen, was für die gerade so verheissungsvolle Entwicklung der Nationalmannschaft Richtung WM 2026 am besten ist. Er hat verschiedene Optionen, die aller einer Richtungsentscheidung gleichkommen. Die Formel heisst erst mal: Neuling oder Neuer?
Die Option Baumann:
Oliver Baumann war bei der EM eine brave Nummer drei. Klaglos wartet der Schlussmann der TSG Hoffenheim schon lange auf sein erstes Länderspiel. Formal ist er die Nummer zwei hinter ter Stegen gewesen. Doch ist Baumann die WM-Alternative? Im übernächsten Sommer wäre er 36. International wird er im Kraichgau nur bedingt gefordert. Und aktuell läuft es bei ihm nicht. Elf Gegentore in vier Bundesligaspielen nervten Baumann nach dem 1:2 bei Union Berlin am Samstag.
Die Option Nübel:
Am kommenden Montag wird Alexander Nübel 28 Jahre alt. Dennoch gilt die Bayern-Leihgabe des VfB Stuttgart als Mann der Zukunft in der Nationalmannschaft. Vor der EM wurde er von Nagelsmann als vierter Torwart gestrichen, ausdrücklich nicht aus Leistungsgründen, wie der Bundestrainer hervorhob. Wenn Nagelsmann ihm jetzt das Vertrauen gibt, ist das eine Entscheidung mit Blick in Richtung Amerika, und das Signal, dass eine konstante Alternative zu ter Stegen aufgebaut werden soll.
Die Option Neuer:
«Mit dem heutigen Tag endet meine Karriere bei der deutschen Fussball-Nationalmannschaft», sagte Neuer am 21. August. Gut einen Monat später könnten diese Worte hinfällig sein. Denn der DFB-Rücktritt nach 124 Länderspielen, acht grossen Turnieren und vielen Torwartrekorden fiel dem 38-Jährigen nicht so leicht. Nagelsmann wollte aber – wenn man die Signale richtig deutet – auch einen neuen Impuls auf dieser Position.
Neuer mag also keine Option für den Oktober sein, zumal ihn gerade der Oberschenkel zwickt. Aber eine generelle Option bleibt die Torwart-Legende natürlich – auch für die WM. Nagelsmann könnte ihn auch noch unmittelbar vor dem Turnier reaktivieren, sollte dann Not herrschen und Neuer mit 40 Jahren noch Form und Fitness haben.
Die Option Konkurrenzkampf:
Unmissverständlich hatte Nagelsmann klargemacht: Ter Stegen ist die Nummer eins. Doch nun könnte er abweichen. Festlegen muss er sich auch nicht. Er kann Baumann und Nübel in einen Zweikampf schicken, beiden zum Länderspieldebüt verhelfen und sehen, wer mit der Situation am besten umgeht.
Wann ter Stegen wieder bereit sein kann, wird sich zeigen müssen. Der Zeitpunkt der Blessur ist ein richtiger Tiefschlag für den einstigen Gladbacher. Kapitän bei Barça und endlich, endlich deutsche Nummer eins. Das war der Status quo bis zur vermaledeiten Flanke in Villarreal, der Landung und dem Schmerzensschrei. Die Erkenntnis, dass im Knie etwas kaputt ist, muss schnell dagewesen sein. Dass die Kollegen 5:1 gewannen, das war auch für Flick nur noch sekundär.(dpa)