Deutschland erlebt sein «Katarloo» – und jetzt?
Am Ende brachte ein 4:2-Sieg gegen Costa Rica nichts mehr. Weil Spanien gleichzeitig Japan 1:2 unterlag, schied Deutschland nach der Vorrunde aus.
Offensichtlich war die Abschlussschwäche. Die Japaner spielte Deutschland lange an die Wand, Costa Rica ebenso. Bloss wollte der Ball zu selten rein. Sinnbild war die verkorkste zweite Halbzeit im Startspiel gegen die Japaner. Deutschland führte 1:0, vergab zahlreiche gute Möglichkeiten und gab den Vorsprung noch aus der Hand. Rückblickend brachen diese 45 Minuten mit den zwei Gegentoren der DFB-Elf das Genick.
Abwehr kaum WM-tauglich
Aber war die Schwäche vor dem gegnerischen Tor allein Pech? Nein. Deutschland hat ein Problem mit seinen Mittelstürmern – es hat nämlich fast keine mehr. Die Position, auf der Gerd Müller einst nach Belieben traf und auf der Miroslav Klose zum WM-Rekordtorschützen wurde, bekleidete in Katar der 29-jährige Niclas Füllkrug, der bis vor dem Turnier nie im Nationalteam spielte. Er rechtfertigte sein Aufgebot mit Toren gegen Spanien und Costa Rica. Aber dass einer wie er Deutschlands bester Stürmer ist, ist ein Armutszeugnis für eine solch grosse Fussballnation.
Zur fehlenden Abschlussschwäche kamen schlimme Abwehrfehler dazu, die bei einigen Gegentoren zum Urteil führen, dass diese deutsche Verteidigung nicht WM-tauglich war. Real Madrids Antonio Rüdiger gelang es nicht, den Laden zusammenzuhalten.
Natürlich wird nun noch einmal über die Begleiterscheinungen dieser WM in der Wüste diskutiert werden. Wie sehr hat der Streit um die von der FIFA verbotene «One Love»-Captainbinde das Team auch auf dem Feld beschäftigt? In Erinnerung bleibt die Reaktion darauf, die Geste, dass die Spieler sich vor dem ersten Spiel gegen Japan beim Mannschaftsfoto die Hand vor den Mund hielten. Nach dem blamablen Out ist das Bild erstklassiges Meme-Material, Aussage: Die Deutschen wollen nie mehr über dieses WM-Turnier sprechen müssen.
Bayern findet keine deutschen Verteidiger mehr
Das wird selbstredlich nicht gelingen. Hinterfragt werden wird im nördlichen Nachbarland mit seinen 84 Millionen Einwohnern die Position des Nationaltrainers Hansi Flick. Der vormalige Trainer von Bayern München muss sich fragen lassen, weshalb es ihm nicht gelungen ist, aus der grossen individuellen Klasse seiner Spieler ein funktionierendes Team zusammenzustellen.
Dies ist umso erstaunlicher, als dass das Gerüst aus Akteuren des Rekordmeisters FC Bayern besteht: Sieben Spieler der Startelf gegen Costa Rica waren Münchner. Im Prinzip hatte Flick also eine recht gut funktionierende Truppe – aber eben nicht in der Abwehr und im Sturmzentrum. Dort spielt bei den Bayern mit Eric Maxim Choupo-Moting ein Kameruner, die Verteidigung bilden mehrheitlich Franzosen. Bayern hatte stets den Anspruch, die besten deutschen Spieler in den eigenen Reihen zu haben. Wenn sie keine deutschen Verteidiger mehr finden, die ihren Ansprüchen genügen, spricht dies Bände.
In eineinhalb Jahren muss der DFB eine bessere Mannschaft haben. Im Sommer 2024 findet die EM in Deutschland statt. Immerhin muss sich der Gastgeber nicht qualifizieren, sondern ist als Teilnehmer gesetzt.