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YB-Chef Christoph Spycher hat genug von der Liga-Krise: Was er jetzt von den Spielern fordert

Wenige Tage nach dem Champions-League-Coup herrscht beim Schweizer Meister wieder Katzenjammer. Sogar die Spieler deuten Motivationsprobleme im Liga-Alltag an.

Es ist erst gerade mal vier Tage her, da fielen rund um YB die Wörter «sensationell», «historisch» oder «nicht hoch genug einzuschätzen». Seit dem späten Samstagabend heisst es: «Von A bis Z ungenügend», «nicht unseren Ansprüchen entsprechend», die Lokalzeitung nennt die Spieler nach dem glücklichen 1:1 gegen Lausanne-Sport «Kummerbuben».

Himmel und Hölle. Da zieht der Schweizer Meister sensationell gegen das hochdekorierte und hochfavorisierte Galatasaray Istanbul in die Champions League ein. Der Lohn sind 40 Millionen Franken garantierte Einnahmen und ein Herbst voller Traumspiele gegen Barcelona, Inter Mailand und Celtic Glasgow.

Vier Tage nach dem Coup muss sich das Team beim jungen Goalie Marvin Keller bedanken, dass es im heimischen Wankdorf-Stadion immerhin einen Punkt gibt. Gegen das notabene seit bis dahin vier Spiele sieglose Lausanne. Apropos: YB ist, weil Yverdon gegen GC gewonnen hat, nun das einzige Super-League-Team ohne Saisonsieg.

YB-Stratege Christoph Spycher schont den Trainer und fordert Spieler

Der Auftritt gegen die Romands ist resultatmässig ein Stillstand. Und spielerisch ein Rückschritt. Die Gäste haben genug Chancen, alle drei Punkte abzuholen. Sie sind es, die sich über den verpassten Dreier ärgern müssen. Vor allem in der ersten Halbzeit gibt YB ein erschreckendes Bild ab. Chefstratege Christoph Spycher jedenfalls fühlt sich im Pauseninterview bei «SRF» zu einem ungewohnt schonungslosen Statement bemüssigt: «Alle Spieler ungenügend!»

Sowieso richtet Spycher in seiner Analyse den Fokus auf die Mannschaft. Dem Duo Steve von Bergen (Sportchef) und Patrick Rahmen (Trainer) attestiert er «hervorragende Arbeit», aber jetzt seien die Spieler gefragt: «Das Schwierigste für einen Sportler ist es, alle drei, vier Tage mental bereit zu sein. In diesem Punkt müssen sich alle steigern. Und unsere Spieler, die den eng getakteten Rhythmus kennen, müssen vorangehen. Im Zentrum haben Filip Ugrinic und Cheikh Niasse das Potenzial für eine Topliga, Lauper hat viele Titel geholt und Champions-League-Erfahrung. Sie und die Nationalspieler müssen jetzt vorangehen und Signale aussenden.»

Kein Qualitätsproblem also. Logisch, sonst hätte YB das auf dem Papier viel bessere Galatasaray nicht in gleich beiden Spielen dominieren können. Vielmehr eine Frage des Charakters.

Fragwürdige Aussagen der YB-Spieler

Dass passieren kann, was nun eingetroffen ist (international Top, national Flop), deutete sich schon nach dem 3:2-Hinspielsieg gegen Istanbul an. Da sagte Ugrinic: «Es hat gut getan, neben der Meisterschaft mal in einem anderen Wettbewerb zu starten. Heute hat kein Spieler eine Extra-Motivation gebraucht.» Im Pflichtprogramm Super League jedoch schon?

Oder Joël Monteiro. Er sagte nach dem Weiterkommen: «Dieser Wettbewerb, das ist doch ein Traum für jeden, da zu spielen. Da gibt jeder dreihundert Prozent. Deshalb hatten wir null Zweifel, dass wir dieses Spiel gewinnen können.»

Zwischen Himmel und Hölle: Die Spieler der Berner Young Boys.
Bild: Claudio De Capitani/Freshfocus

Menschlich nachvollziehbar sind unterschiedliche Motivationslevels in Super und Champions League allemal. Erlauben darf ein Profi sie sich trotzdem nicht.So gesehen hatte schon der Triumph gegen Galatasaray ein «Gschmäckle», weil die Eindrücke der schwachen Liga-Auftritte zuvor noch präsent waren.Heikel ist zudem, dass mit Ugrinic und Monteiro zwei Spieler aus der oberen Hälfte der teaminternen Machtpyramide Motivationsprobleme im Liga-Alltag offenbaren.

Warum Marvin Keller wieder auf die Bank muss

Vor diesem Hintergrund lassen auch die folgenden Worte von Cheftrainer Patrick Rahmen tief blicken: «Es ist Zusammenspiel vieler Faktoren. Uns fehlt auch ein wenig die Führung auf dem Platz. Ich erwarte mehr Leadership von den erfahrenen Spielern.»

Patrick Rahmen hat mit YB noch keinen Ligasieg feiern können.
Claudio De Capitani / Freshfocus

Diese Sätze sprechen für die Rückkehr von David von Ballmoos ins YB-Tor, sobald seine Schulterschmerzen zu hundert Prozent abgeklungen sind. Obwohl Marvin Keller den Stammgoalie zwei Mal hervorragend vertrat und untermauerte, was hinter vorgehaltener Hand schon länger rumgeht: Er ist mindestens der gleich gute Goalie wie von Ballmoos. Der aber hat das Ass «Erfahrung» im Ärmel, Rahmen braucht ihn – und sagt deshalb: «Dävu bleibt unsere Nummer 1.» Genauso wie jene des Goalies sehnt Rahmen die Rückkehr von Captain Loris Benito auf den Platz zurück, im September dürfte es so weit sein.

Im September geht’s dann auch weiter auf der internationalen Reise. Mit dem ersten Heimspiel in der Champions-League-Ligaphase gegen Aston Villa. Man darf gespannt sein, ob sich in den kommenden Wochen die zwei Gesichter der Young Boys wieder annähern.

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