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Wann zwingt uns der Bundesrat, die Heizung runterzudrehen? Die 10 wichtigsten Fragen und Antworten 

Am Mittwoch präsentierte die Landesregierung, mit welchen Massnahmen sie verhindern will, dass die Schweiz zu wenig Gas hat. Und der Bundesrat skizzierte, wie er vorgehen will, wenn das Szenario einer Mangellage trotzdem eintritt. Das Wichtigste im Überblick.

Wie real ist die Gefahr einer Gasmangellage in diesem Winter für die Schweiz?

Die gute Nachricht zuerst: Ganz düster sieht es nicht aus. Die Gasspeicher im grenznahen Ausland sind zu fast 80 Prozent gefüllt, in Deutschland – für die Schweiz besonders wichtig – sogar leicht darüber. Das ist mehr, als man noch im Juni hoffen konnte. Die schlechte Nachricht: Die Gefahr ist damit nicht gebannt. Zum einen reichen auch volle Speicher nicht für die gesamte Winterversorgung Europas. Zum anderen stehen auch alle Reserven im Ausland. Die Schweiz ist auf internationale Solidarität angewiesen.

Ist das der Grund, weshalb der Bundesrat zum Stromsparen aufruft?

Es besteht zumindest ein direkter Zusammenhang. Deutschland produziert Strom auch mit Gas. Wenn die Schweiz Strom spart und exportiert, können andere Länder einfacher Reserven anlegen.

Was passiert, wenn es nicht reicht und die Schweiz in eine Gasmangellage gerät?

Dem Bundesrat stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung. Der erste Schritt sind freiwillige Sparappelle, wenn eine Mangellage unmittelbar bevorsteht. Das ist jetzt noch nicht gegeben.

Bald ein knappes Gut? Blick in die Biogas-Anlage des Energieunternehmens Energie 360° in Niedergösgen SO (21. Juli 2022).
Keystone / Christian Beutler

Das klingt noch nicht sehr dramatisch. Was erhofft sich der Bundesrat davon?

Es ist nicht ganz einfach abzuschätzen, wie viel freiwillige Sparappelle bringen – das gilt im Übrigen auch beim Strom. Der Bundesrat schätzt aber, dass ein Sparappell den Schweizer Gasverbrauch bereits um fünf Prozent drosseln könnte.

Und wenn das nicht reicht?

Wenn das nicht ausreicht, kommen verschiedene Verordnungen zum Zug, die der Bundesrat – im Unterschied zu einer Strommangellage – nun ausgearbeitet hat. Der nächste Schritt betrifft vor allem die Industrie. Wer mit Gas produziert und über eine sogenannte Zweistoffanlage verfügt, soll umschalten: von Gas auf Heizöl Extraleicht. Typischerweise sind das kleine Brenner, die dann zum Einsatz kommen, wenn Gas knapp ist. Für diesen Treibstoff bestehen in der Schweiz Pflichtlager, die einen Betrieb von mehr als vier Monaten garantieren sollen. Der Bundesrat erhofft sich von dieser Massnahme einen grossen Unterschied: Bis zu 20 Prozent des Gasverbrauchs könne mit diesem Umschalten erzielt werden, rechnet das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Zwei Probleme stellen sich mit den Zweistoffanlagen. Zuerst einmal ist ihr Bestand rückläufig. Viele Firmen verfügen nicht mehr über diese Option. Und dann ist ihr Einsatz aus ökologischer Perspektive zumindest fraglich. Heizöl verursacht beim Verbrennen mehr Emissionen als Erdgas. Bei einer Gasmangellage spielen solche Überlegungen freilich eine untergeordnete Rolle: Es wäre ein nationaler Notstand mit schwerwiegenden Folgen für die Wirtschaft.

Und was ist nun mit dem Heizen in privaten Innenräumen?

Diese Massnahme bedeutet die dritte von vier Eskalationsstufen: Es sind Verbrauchseinschränkungen und Verbote. Im Fokus stehen Komforteinbusse. So will der Bundesrat in diesem Schritt die Raumtemperatur in Privathaushalten auf maximal 19 Grad festschreiben und die Höchsttemperatur in den Wasserboilern dürfte 60 Grad betragen.

Bei Stufe drei von vier würde eine Temperaturobergrenze für Privathaushalte eingeführt.
Keystone / Gaetan Bally

Warum trifft es die Privathaushalte?

Nicht nur – aber vor allem. Zu diesem Zeitpunkt dürften auch die Temperaturen in Büroräumen gedrosselt werden – medizinische Einrichtungen ausgenommen. Privathaushalte machen allerdings 40 Prozent des Schweizer Gasverbrauchs aus. Hier anzusetzen, ergibt deshalb Sinn. Unangenehm wird es insbesondere dann, wenn Unternehmen zum Energiesparen Homeoffice anordnen. Ein realistisches Szenario, wie auch an der gestrigen Medienkonferenz des Bundesrats betont wurde. Von Einschränkungen betroffen wären ausserdem Ferienwohnungen, Saunen und Hallenbäder. Auch Heizpilze oder beheizte Aussenzelte wären zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erlaubt.

Wer will kontrollieren, wie die Leute heizen?

Eine Heizpolizei wird es nicht geben, so viel steht fest. Grundsätzlich sind die Kantone in der Pflicht, die Massnahmen des Bundes umzusetzen. Dabei ist aber Augenmass gefragt. Gut möglich, dass alleine die Anordnung den erwünschten Effekt zeitigt.

Und wenn selbst das nicht reichen sollte?

Ultima Ratio wäre eine Kontingentierung von Erdgas durch das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Davon ausgenommen wären einerseits die Privathaushalte, aber auch grundsätzliche Einrichtungen wie Feuerwehr, Polizei, Spitäler oder die Abfallentsorgung.

Wie geht es nun weiter?

Nachdem der Bundesrat seine Vorschläge jetzt dargelegt hat, geht er in eine dreiwöchige Konsultation. Die ersten Reaktionen aus Politik und Wirtschaft sind durchaus positiv, auch wenn sich verschiedene Verbände und Parteien gewünscht hätten, dass der Bundesrat auch abfedernde Massnahmen für die rapide gestiegenen Energiepreise vorstellt. Diese stellen vor allem die KMU vor grosse Herausforderungen. Dazu sieht der Bundesrat allerdings bislang keinen Handlungsbedarf. Man beobachte die Situation, war gestern lediglich zu erfahren.