Lastenvelos lösen unser Stauproblem nicht
Man untergrabe die Glaubwürdigkeit des Gegners, verbreite Falschinformationen und erzeuge eine ideologisch verzerrte Version der Realität. Das war die Anleitung zur Kampagne der rot-grünen Gegner der Engpass-Beseitigung auf den Nationalstrassen. Die Gegner unterstellten dem Bundesrat fälschlicherweise «Tricksereien» und verbreiteten Märchen etwa von weniger Verkehrssicherheit.
Und jetzt geht das so weiter. So versucht das SP-Co-Präsidiumin einem Interview in dieser Zeitung letzte Woche aus der knappen Ablehnung des Ausbauschritts 2023 einen klimapolitischen Grundsatzentscheid zu konstruieren.
Das ist Chabis. Etwa im Wallis hat das Stimmvolk gleichzeitig die Autobahn-Vorlage und das kantonale Klimagesetz abgelehnt. Es gab offenbar unterschiedliche Gründe für das Nein zur Strassenvorlage. Das hält die SP-Führung nicht davon ab, zu schwadronieren, unser Wirtschaftsmodell stosse «an seine ökologischen und sozialen Grenzen». Nicht zufällig sitzt das SP-Co-Präsidium im Initiativkomitee der Enteignungs-Initiative der Jungsozialisten. Diese fordert eine 50%-Erbschaftssteuer für den «sozialgerechten und ökologischen Umbau der Gesamtwirtschaft».
Das ist das wahre Ziel der Sozialisten: Sie wollen unser System auf den Kopf stellen. Entsprechend versuchen sie jetzt das Abstimmungsergebnis zu den Nationalstrassen zu einem Entscheid für eine «sozialere und ökologischere Schweiz» umzudeuten.
Fakt ist: Mit dem Nein zum Ausbauschritt 2023 wurden sechs Projekte in der vorgelegten Form abgelehnt. Diese wurden im Rahmen des Strategischen Entwicklungsprogramms STEP ausgearbeitet. Mit diesem Planungsinstrument hält der Bund unser Nationalstrassen-Netz in Schuss. Das ist ein ständiger Prozess. Dafür muss er regelmässig in den Betrieb, den Unterhalt und in punktuelle Erweiterungen des Netzes investieren. Das Geld dafür ist da, im Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds NAF. Zum konkreten Programm 2023 hat das Volk Nein gesagt. Doch die Arbeit geht weiter und der Bund muss über die Bücher.
Die Gegner des Ausbauschritts 2023 haben keine brauchbaren Lösungen. Weder mit schwammigen Theorien über Verkehrs-Managementsysteme noch mit Lastenvelos oder Nachtzügen saniert man Tunnels. In den Städten St.Gallen und Schaffhausen ist das aber nötig, sonst droht das Chaos. Und Mobility Pricing würde auch den öffentlichen Verkehr verteuern. Dieser ist heute – anders als der Strassenverkehr – stark subventioniert.
Ein Road Pricing würde schliesslich das Gewerbe bestrafen. Denn der Transport über die Strasse ist für die meisten KMU alternativlos. Handwerker müssen pünktlich zu ihren Kunden gelangen und brauchen für den Materialtransport einen Lieferwagen. Zudem muss die zuverlässige Versorgung mit Lebensmitteln und Produkten der Landwirtschaft rund um die Uhr sichergestellt sein. Dafür wird in der Schweiz jeder dritte LKW-Kilometer gefahren.
Die Stausituation auf den Nationalstrassen verschlimmert sich rasch: Wir haben bereits im November mehr Staustunden als im gesamten 2023. Die Stau-Zulagen werden gezwungenermassen weiter steigen und Güter und Dienstleistungen verteuern. Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit der Verkehrsinfrastruktur – einst ein Qualitätszeichen der Schweiz – leiden immer mehr.
Wenn wir nicht Strassenzustände wie in Italien oder unzuverlässige Züge wie in Deutschland haben wollen, müssen wir weiterhin in Schiene und Strasse investieren und mit Träumereien aufhören. Wir brauchen realistische Lösungen, und zwar rasch. Die abgelehnten Teilprojekte sind zu überprüfen und wo nötig anzupassen, damit sie künftig mehrheitsfähig sind. Und auch Sofortmassnahmen wie die Verkürzung des Nachtfahrverbots für LKW müssen in Betracht gezogen werden.
Das Nein zum Ausbauschritt 2023 ändert nichts an den bewährten Grundsätzen der Planung und Finanzierung unserer Verkehrsinfrastruktur. Es ist auch kein Verlagerungsauftrag für den Binnengüterverkehr. Unser Gewerbe ist auf alle Verkehrsträger angewiesen. Über 80 Prozent der Transportleistungen im Binnengüterverkehr laufen über die Strasse. Sie bleibt auch in Zukunft unverzichtbar.
* Urs Furrer ist Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV).