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Gebrochene Herzen am Valentinstag: Trotz Silber und Bronze hadern die Schweizer

Den Sieg im Riesenslalom hatten die Schweizer in den vergangenen zwei Jahren quasi reserviert. In 21 Rennen gewann 18 Mal einer von Swiss Ski. Ausgerechnet an der WM ist mit Raphael Haaser aber ein Österreicher der Schnellste. Und Odermatt verpasst sogar das Podest.

Da gewinnen die Schweizer im WM-Riesenslalom zwei von drei Medaillen – und trotzdem sind im Team im ersten Moment mehr Herzen gebrochen als freudig hüpfend. Marco Odermatt, der Vierter wurde, sagt: «Logisch ist die Enttäuschung gross. Wenn man mit meiner Karriere Vierter in einem WM-Riesenslalom wird, kann man nicht zufrieden sein.» Loïc Meillard, der Bronze gewann, sagt: «Momentan überwiegt die Enttäuschung.» Einzig bei Thomas Tumler flogen die Glückshormone. Der Bündner gewann Silber.

Gebrochene Herzen – und das ausgerechnet am Valentinstag. Auf dem Leaderstuhl wartete im zweiten Lauf ein Stoffbärchen mit Herz auf den Schnellsten. Auf der Tribüne hielt eine Frau ein Schild in die Höhe: «Wer Gold gewinnt, wird mein Valentin!» Und Lucas Pinheiro Braathen warf Rosen ins Publikum. Show muss sein – auch wenn er nur Rang 14 belegte.

Haaser erinnert mit seiner Art an Janka

Zumindest die Zuschauerin mit Schild dürfte glücklich gewesen sein über ihre Wahl. Mit Raphael Haaser gewann ein Österreicher überraschend Gold. Im Weltcup war der 27-Jährige noch nie besser als Siebter – und jetzt ist er Weltmeister. «Das kommt auch für mich überraschend», sagt er. Allerdings hat Haaser derzeit einen Lauf. Erst fuhr er im Super-G von Kitzbühel hinter Odermatt auf Rang zwei – und dann wiederholte er dieses Kunststück im WM-Super-G. Und nun kommt auch noch Gold dazu.

Haaser hatte sich im Dezember in Val d’Isère das Kreuzband überdehnt, was zu einer rund fünfwöchigen Pause führte. Doch seit seiner Rückkehr fährt er wie verwandelt. Und er erinnert an Carlo Janka. Der Schweizer zeigte selbst nach Grosserfolgen kaum Emotionen und wurde zum «Iceman». Diesen Übernamen haben sie in Österreich nun Haaser verpasst. Auch er reagiert stets gelassen – oder eben: fast etwas kalt. Im ORF sagte er: «Ob Sie es mir glauben oder nicht, ich freue mich schon.»

Doch damit zurück zu den Schweizern. Das Resultat mit Silber und Bronze ist eigentlich fantastisch. Dass es trotzdem nicht für Euphorie sorgt, haben sich die Athleten selbst eingebrockt. In den letzten 21 Riesenslaloms – die letzte WM eingerechnet – gewann 18 Mal (!) ein Schweizer: 16 Mal stand Odermatt ganz zuoberst auf dem Podest, je einmal Meillard und Tumler.

Dass da besonders bei Marco Odermatt die Enttäuschung nach dem WM-Riesenslalom gross ist, liegt auf der Hand.« Ich habe für dieses Rennen extra die Team-Kombi geopfert, das macht es noch etwas bitterer», sagt der 27-Jährige. Odermatt hatte dem Event ein Riesenslalom-Training vorgezogen. Und sah dann zu, wie die Schweiz einen Dreifachsieg feierte.

Bronze verpasste Odermatt am Freitag nur um sieben Hundertstel. Danach sagt er: «Dass meine Riesenslalom-Form aktuell nicht die beste ist, wusste ich. Schliesslich fuhr ich in den vergangenen Wochen fast nur Speed.» Anders als nach der Abfahrt, in der er als Titelverteidiger Fünfter wurde, hatte Odermatt nach dem Riesenslalom auch keine Lust, mit den Kollegen zu feiern.  «Die Enttäuschung ist grösser», sagt er und ergänzt: «Und nach der Abfahrt war auch meine Goldmedaille im Super-G noch präsenter.»

Bei Loïc Meillard dürfte sich die Stimmung im Verlauf des Abends klar verbessert haben. Schon direkt nach dem Rennen sagt er: «Irgendwann werde ich mich über Bronze freuen, es ist eine weitere Medaille, meine fünfte.» An der WM 2021 gewann er Bronze in der alpinen Kombination und im Parallelrennen. Vor zwei Jahren Silber im Riesenslalom und in Saalbach schon Gold in der Team-Kombination mit Franjo von Allmen.

Meillard wird seinen Ruf einfach nicht los

Dass Meillard im ersten Moment trotzdem enttäuscht ist über Bronze, hat einen einfachen Grund. Den ersten Lauf hatte der 28-Jährige als Zweiter beendet, nur 0,02 Sekunden hinter Halbzeitleader Timon Haugan. Auf den späteren Sieger Haaser hatte er sich ein Polster von sechs Zehntel herausgefahren. Es reichte nicht. Und das ärgerte Meillard: «Es wäre heute mehr dringelegen.» Er meinte Gold. Der Ruf, es in den entscheidenden Momenten nicht ganz auf den Punkt zu bringen, haftet ihm schon lange an.

Und so war neben Sieger Haaser einzig Thomas Tumler vollends zufrieden. Für den bereits 35-Jährigen ist WM-Silber ein nächstes vorläufiges Happy End in einer Karriere, die von Verletzungen geprägt war. «Diese Medaille ist ein Stück weit auch ein Lohn für viele harte Stunden im Krankenhaus und während der Rehabilitation», sagt der Bündner. Über seinen ersten Weltcup-Sieg im Dezember in Beaver Creek könnte er fast dasselbe sagen.

Während seiner Karriere wollte Tumler mehrmals aufhören. 2017 zum Beispiel, als er an einer Tankstelle nicht mehr selbstständig aus dem Auto aussteigen konnte, weil sein Rücken nach den Rennen in Kitzbühel so schmerzte. Oder 2020, als er in Garmisch in einem Riesenslalom 59. und Letzter wurde. Einzig seine Familie konnte ihn vom Weitermachen überzeugen. Und 2023 flog Tumler fast aus den Swiss-Ski-Kadern. Im letzten Rennen der Saison musste er punkten. Und Tumler? Er wurde Fünfter. Nun ist er Vize-Weltmeister. Das Durchhalten hat sich gelohnt.

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