Nicht nur Bersets Vertrauter Lauener ist im Visier: Sonderermittler führt drei Verfahren zu Lecks im Bundeshaus
Sehr gesprächig ist Peter Marti (SVP), ausserordentlicher Staatsanwalt des Bundes, derzeit nicht. Es handle sich «um laufende Verfahren», teilt er auf Anfrage mit, weshalb er leider die gestellten Fragen nicht beantworten könne. Er bitte um Verständnis. «Insbesondere äussere ich mich nicht zu irgendwelchen Personalien», so Marti am Montag.
Der ehemalige Zürcher Bezirksanwalt und Oberrichter führt im Einmannbetrieb das Strafverfahren wegen Verdachts auf Amtsgeheimnisverletzung, das die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Bundes im November 2020 in Gang gesetzt haben. Es geht darum, dass laut GPK vertrauliche Informationen aus der Untersuchung der Geheimdienstaffäre um die Chiffriergeräte der Crypto AG den Weg an einzelne Medien (insbesondere NZZ, später Tages-Anzeiger) fanden und öffentlich wurden, bevor der Bericht publiziert war.
In den Medien, zunächst in der «Weltwoche» von SVP-Nationalrat Roger Köppel, kursiert derzeit nur ein Name: Beschuldigter wegen Amtsgeheimnisverletzung sei Peter Lauener, überraschend abgetretener Informationschef von SP-Bundesrat Alain Berset. Der «Sonntagsblick» vermeldete letztes Wochenende, Lauener habe sogar mehrere Tage in Untersuchungshaft verbracht. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ermittler Marti: «Ich führe zur Zeit drei Verfahren»
Aber der mediale Anschein trügt, Lauener ist nicht der einzige, der im Visier der Justiz steht. Auf Nachfrage bestätigte Ermittler Marti am Montag eine frühere Aussage: «Es ist so, dass ich zur Zeit drei Verfahren führe, die letztlich zusammen hängen.» Deutlicher wollte er nicht werden: «Gegen wie viele Personen ein Strafverfahren eröffnet wurde und ob noch weitere Delikte als Amtsgeheimnisverletzungen zur Debatte stehen, kommentiere ich nicht. Und: Es handelt sich um laufende Verfahren, was auch der Grund ist, dass ich dazu nicht kommuniziere.»
Justizdepartement gibt Ermächtigung zur Strafverfolgung
Die ultimative Bestätigung dafür, dass der Sonderermittler tatsächlich mehrere, vermutlich derzeit drei Personen im Visier hat, kam dann von anderer Seite. Am Montagabend berichtete das Westschweizer Radio RTS: Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) habe beamtenrechtliche Ermächtigungen zur Strafverfolgung von mehreren Mitarbeitenden des Bundes wegen Verdacht auf Amtsgeheimnisverletzung erteilt. Eine Meldung, die das EJDP am Dienstag bestätigte.
CH Media berichtete bereits im Juni, dass offenbar bei zwei Bundesangestellten Hausdurchsuchungen stattgefunden hätten. Die Rede war auch vom Aussendepartement EDA von Bundesrat Ignazio Cassis. Dessen Generalsekretär, Markus Seiler, war einst Chef des Nachrichtendienstes des Bundes, sein Verhalten wird im GPK-Bericht kritisch abgehandelt.
Marti wurde im Januar 2021, also vor anderthalb Jahren von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft AB-BA eingesetzt, damals noch unter Präsident Hanspeter Uster (Grüne). Er arbeitete lange von der Öffentlichkeit unbemerkt, lud Medienleute vor, die offenbar über vertrauliche Informationen berichtet hatten. Diese Medienleute sollen allesamt die Aussagen verweigert haben.
Der Zürcher ermittelte also mehr als ein Jahr lang, ohne dass etwas durchsickerte. Erst im Juni 2022 wurde ein Teil seiner Arbeit öffentlich, als die «Weltwoche» Bersets Vertrauten Lauener als Beschuldigten outete.
Warten auf Zwangsmassnahmengericht
Sonderermittler Marti wartet derzeit auf das Berner Zwangsmassnahmengericht: Es soll entscheiden, ob er beschlagnahmtes Material, das gesiegelt wurde, für das Strafverfahren verwenden darf.
Die Zuger Crypto AG hatte jahrzehntelange manipulierte Chiffriergeräte hergestellt, sie gehörte ab einer bestimmten Zeit dem US-Geheimdienst CIA und dem deutschen BND. Die Schweiz wusste und profitierte offensichtlich von dieser Situation.