Kanton erzielt Überschuss von 314 Millionen: SVP verlangt Steuersenkung, Grüne fordern mehr Prämienverbilligung, Mitte will Reserven bilden
Zum fünften Mal in Folge schreibt der Kanton Aargau tiefschwarze Zahlen, für 2021 resultiert ein Plus von 314 Millionen Franken. Die Regierung will fast eine halbe Milliarde Franken Schulden abbauen und die für schwierige Zeiten gedachte Ausgleichsreserve um 60 Millionen Franken aufzustocken. Das kommt nicht bei allen Parteien gut an, wie die ersten Reaktionen auf den riesigen Überschuss des Kantons zeigen.
Die SVP als grösste Fraktion im Kantonsparlament unterstützt zwar den Vorschlag der Regierung, mit dem Überschuss vor allem Schulden zu tilgen. Für die Partei ist zudem klar:
«Es müssen nun endlich die Steuern für Private und Unternehmen gesenkt werden, um die guten Steuerzahlenden nicht noch stärker an andere Kantone zu verlieren und um möglichst viel Geld für Konsum und Investitionen der Bevölkerung zu belassen.»
Die zusätzliche Aufstockung der Ausgleichsreserve, die heute schon mit 722 Millionen Franken gefüllt ist, findet die SVP unnötig. Das Geld darin reiche, um fast alle absehbaren künftigen Grossinvestitionen (zwei neue Kantonsschulen, Neubau Polizeigebäude) auf einen Schlag zu finanzieren.
Grüne wollen mehr Geld für Verbilligung der Krankenkassenprämien
Auch die Grünen sprechen sich dafür aus, die Schulden des Kantons mit Mitteln aus dem Überschuss weiter abzubauen. Fraktionspräsident Robert Obrist hält es hingegen nicht für sinnvoll, die bereits jetzt prall gefüllte Ausgleichsreserve um weitere 60 Millionen Franken aufzustocken. Stattdessen wollen die Grünen diesen Betrag für die Ausweitung und Erhöhung der individuellen Krankenkassenprämienverbilligung einsetzen.
«Damit kann sichergestellt werden, dass Einwohnerinnen und Einwohner unseres Kantons, welche beispielsweise von der Erhöhung der Mietnebenkosten und der Lebensmittel am stärksten betroffen sind, entlastet werden.»
Über das Prämienverbilligungs-Dekret entscheidet der Grossrat am 21. Juni, gleichzeitig mit der Diskussion über die Verwendung des Überschusses der Jahresrechnung. Nicht zu haben sind die Grünen für eine Steuersenkung, darauf solle verzichtet werden, heisst es in der Mitteilung.
Mitte unterstützt Aufstockung der Finanzreserven des Kantons
Die Mitte, die Partei von Finanzdirektor Markus Dieth, schliesst sich dem Vorschlag der Regierung an, die Ausgleichsreserve weiter aufzustocken. Sie hält dies «aufgrund der leider erneut unsicheren Lage infolge des Ukrainekriegs» für nötig. Grundsätzlich stehe der Kanton mit einem tiefen Schuldenstand von 250 Millionen und fast 800 Millionen Franken in der Ausgleichsreserve auf einem sehr soliden Fundament.
Damit liessen sich kommende Herausforderungen meistern, findet die Mitte, die mit einem Vorstoss im Grossen Rat die Ausgleichsreserve flexibilisieren will. Fraktionschef Alfons P. Kaufmann verlangt:
«Überschüsse aus schwankenden Erträgen, die nicht für den Schuldenabbau benötigt werden, sollen auch für Investitionen in die Zukunft oder für kurzfristige Steuererleichterungen, etwa durch einen Steuerrabatt, verwendet werden können.»
Aufgrund der hohen Planungsunsicherheiten und der möglichen Ertragsschwankungen brauche es ein finanzpolitisches Konzept, hält er fest. Klar ist für die Mitte, dass der Entscheid über die Verwendung der Mittel aus Überschüssen auch künftig beim Grossen Rat liegen soll.
GLP: 30 Millionen für Zukunftsprojekte und mehr Lohn fürs Personal
Die Grünliberalen äussern sich «vorsichtig optimistisch, dass der Kanton für die kommenden Jahre finanziell gut gerüstet ist». Die GLP unterstützt den Schuldenabbau und auch die Einlage von 60 Millionen in die Ausgleichsreserve – allerdings mit einem Vorbehalt:
«Wir erwarten, dass von den neuen Mitteln in der Ausgleichsreserve mindestens die Hälfte, also 30 Millionen Franken, in Zukunftsprojekte investiert wird.»
Konkret fordert die Partei, dass der Kanton bei eigenen Gebäuden energetische Sanierungen vorziehen und fossile Heizsysteme ersetzen solle. Zudem spricht sich die GLP dafür aus, den Lohnrückstand des Kantonspersonals von 2,15 Prozent auszugleichen. Schliesslich seien auch Investitionen in Tagesschulen und Kinderbetreuung angezeigt. Langfristig müsse es Ziel des Kantons sein, möglichst ohne Beiträge aus dem nationalen Finanzausgleich und Nationalbank-Millionen auszukommen.