Sie sind hier: Home > Justiz > Ungenügender Strafvollzug: Unternehmen müssen kaum Konsequenzen fürchten

Ungenügender Strafvollzug: Unternehmen müssen kaum Konsequenzen fürchten

Zwar sind Korruption und Geldwäscherei in der Schweiz strafbar, Unternehmen müssen sich wegen möglicher Strafen aber fast keine Sorgen machen. Das zeigt ein neuer Bericht.

Wird ein Fall von Bestechung oder Geldwäscherei aufgedeckt, ist der Aufschrei gross. Und es führt uns vor Augen, dass es überall geschehen kann – wie etwa der jüngst aufgedeckte Korruptionsskandal im EU-Parlament zeigt, das sogenannte «Katar-Gate». Auch in der Schweiz dürften diese Verbrechen weiter verbreitet sein, als es die offiziellen Zahlen vermuten lassen. «Darauf weisen allein die grossen internationalen Korruptions- und Geldwäschereiskandale hin, in die Schweizer Unternehmen oftmals involviert sind», schreibt Transparency International Schweiz in einem am Freitag veröffentlichten Bericht.

Dennoch wurden in der Schweiz in den vergangenen fast 20 Jahren erst zehn Unternehmen rechtskräftig verurteilt – obwohl gemäss Umfragen davon auszugehen ist, «dass rund jedes fünfte exportierende Schweizer Unternehmen im Ausland informelle (Korruptions-) Zahlungen leistet». Diese Situation bezeichnet die Organisation aus rechtsstaatlicher und präventiver Sicht denn auch als «unbefriedigend».

Sie hat bereits im März 2021 einen Bericht über Korruption und Geldwäscherei in der Schweiz veröffentlicht und den Verbesserungsbedarf aufgezeigt. Seither sei nicht viel passiert. Soweit Transparency International bekannt ist, wurden lediglich zwei weitere Unternehmen rechtskräftig verurteilt – von der Bundesanwaltschaft mittels Strafbefehl. Zudem sprach das Bundesstrafgericht zwei Unternehmen schuldig – darunter die Credit Suisse. Da die Urteile weitergezogen wurden, sind sie jedoch noch nicht rechtskräftig.

Strafverfolger brauchen «aktive Hilfe» der fehlbaren Unternehmen

Der neue Bericht analysiert die bisherige Praxis zur Strafbarkeit der Unternehmen in der Schweiz. Die Ergebnisse sind ernüchternd: «Der Vollzug des Unternehmensstrafrechts ist weiterhin mangelhaft», heisst es. In Korruption und Geldwäscherei verwickelte Unternehmen würden «bloss ganz vereinzelt» strafrechtlich verurteilt. Zudem erscheine die spärliche Rechtssprechung der Staatsanwaltschaft uneinheitlich und in wesentlichen Punkten unklar.

Besonders bitter: Wenn es gelingen soll, fehlbare Unternehmen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, dann sind die Staatsanwaltschaften «zu wesentlichen Teilen» auf die aktive Mithilfe der Unternehmen selbst angewiesen. Genau für diese aktive Mithilfe fehlt aber die erforderliche Berechenbarkeit und Rechtssicherheit, wie es weiter heisst. Zudem kritisiert Transparency Schweiz den nur umständlichen Zugang zu Strafbefehlen und die teilweise unzuverlässigen Auskünfte der Staatsanwaltschaften.

Anreize für Selbstanzeigen und Zusammenarbeit schaffen

Die Organisation fordert daher unter anderem, dass die Staatsanwaltschaften verbindliche und öffentlich zugängliche Wegleitungen zur ihrer Anwendungspraxis der Strafbarkeit erlassen. Damit sollen die Anreize für Selbstanzeigen und Kooperation erhöht werden.

Gerade Selbstanzeigen und Kooperationen sowie die Bemühungen, die Compliance – also dass sich ein Unternehmen an die Regeln und Gesetze hält – zu verbessern, sollen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten belohnt werden. Auch sollen die Behörden ihre Systeme modernisieren, damit sie künftig innert kürzerer Zeit zuverlässig Auskunft geben können.

Die Unternehmen wiederum sollen «eine Kultur der Nulltoleranz» leben und die dafür notwendigen Massnahmen treffen. Zudem sollten sie bei einem begründeten Verdacht für eigene Verstösse zeitnah die Strafverfolgungsbehörden informieren und mit diesen zusammenarbeiten.

Staatsanwaltschaften sollen «endlich» ihre Möglichkeiten ausschöpfen

«Für die erfolgreiche Korruptions- und Geldwäschereiprävention und -bekämpfung ist zentral, dass die entsprechende Strafverfolgung funktioniert», wird Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency Schweiz, in der Mitteilung zitiert. Es werfe ein schlechtes Bild auf unser Land, wenn ausländische Behörden die Strafverfolgung von Schweizer Unternehmen übernehmen müssen. «Die Schweizer Staatsanwaltschaften sollten deshalb endlich die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um die Strafverfolgung von Unternehmen zu verbessern.»

Transparency International Schweiz ist die Schweizer Sektion der laut eigenen Angaben weltweit führenden Nichtregierungsorganisation im Kampf gegen die Korruption. Sie setzt sich für die Prävention und Bekämpfung ein, leistet Sensibilisierungsarbeit und arbeitet Berichte und Arbeitsinstrumente aus.