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1’000’000 Touristen können nicht irren

Ich gebe mir bisweilen zu viel Mühe, um ein gutes Restaurant zu finden. Das ist dumm, denn weltberühmte «Touristenfallen» im Zentrum sind viel besser als ihr Ruf.

Zugegeben: Ich gebe mir bisweilen zu viel Mühe, um ein gutes Restaurant zu finden, durchforste vor Reisen die Gastroführer, suche Busse und Wege heraus und bin dann in Restaurants, über dessen Dächer sich die Autobahnen kreuzen. In Paris etwa hoch hinauf ins 10. Arrondissement, um die Baustellen der Gare du Nord herum, hinein in die schmierige Rue Eugène Varlin ins Bistro La Chansonnier? Ich kann nur sagen: Man wird reich beschenkt.

Aber es wäre einfacher, dort zu essen, wo man als Tourist sowieso dauernd rumspaziert – und dann auch nicht im «Aufsteiger des Jahres», sondern in jenen Restaurants, die in jedem Reiseführer empfohlen sind: Ab in die Touristenfallen!

Bisweilen sind Touristenfallen die prächtigsten Lokale: Institutionen, die nicht nur dank der Touristen Jahrzehnte, wenn nicht gar jahrhundertelang überlebt haben. In Wien wird man bei «Figlmüller» ein famoses Schnitzel kriegen, in Paris im «La Coupole» gut essen. Sie glauben es nicht? Gehen wir doch hinein in die Touristenstädte – etwa nach Verona, 260’000 Einwohner, aber vor Covid 5,1 Millionen Gäste pro Jahr.

Im Figlmüller gibt es viele Touristen, aber ein tolles Schnitzel und ein tolles Ambiente.
Christian Bruna / EPA

Im Vicolo Scudo geht’s hinunter ins älteste Lokal der Stadt (die sind fast immer Institutionen, ob in Madrid, Dublin oder Salzburg): «Antica Bottega del vino» ist in jedem Reiseführer erwähnt. Der erste Kommentar, der auf Trip Advisor aufpoppt, trifft den Nagel auf den Kopf: «Tolles Interieur, Essen O.K., aber nichts Besonderes. Lustloser Sommelier, schnöseliger Oberkellner. Touristenfalle.» Bravo, Lutz W, besser lässt sich die «Bottega» nicht beschreiben. Hier isst man etwas Einfaches – und das gut. Die Weinkarte mit Tausenden von Flaschen ist weltmeisterlich, wenn auch ziemlich teuer – darin zu finden ein Nebukadnezar Amarone (15 Liter).

Führe ich in Zürich Gäste aus, besuche ich die Klassiker: «Odeon», «Sternengrill», «Kronenhalle», «Sprüngli». In Basel würde ich in den «Schluuch» der «Kunsthalle», in Luzern in die «Taube», in St.Gallen in eine 1.-Stock-Beiz im Klosterbezirk.

Ziemlich einfach, aber ziemlich gut: Ein Essen im Zeughauskeller.
bez

Wie Hunderte Touristen auch. In Zürich ist der «Zeughauskeller» in jedem Reiseführer beschrieben – zurecht! Die Schweinshaxe (32.50 Fr.) ist toll und das Bürgermeisterschwert unter Touristen und Kindern der Hit. Bisweilen sitzen drei Paare an einem Sechsertisch. Das ist nicht der Ort fürs romantische Tete-à-Tete, aber um ins Gespräch mit Fremden zu kommen, ist er ideal. Dieser Tage tut uns das gut.

P.S.: Besuchen Sie in Verona trotzdem auch «Al Bersagliere», ein paar Schritte ausserhalb der Altstadt.