Warum man in der Pizzeria nie etwas anderes als die Margherita bestellen sollte
Vielleicht war mein Vater der einzige Mensch, der nie Pizza ass. Folglich wurde ich 15 Jahre alt, bis ich meine erste auf dem Teller sah. Nur sechs Jahre später, es war der 23. Juni 1991, verschlang ich in der Nähe des Teatro della Pergola in Florenz gleich vier an einem Tag – zwei vor und zwei nach der Nachmittagsvorstellung von Mozarts «Così fan tutte». Es war keine Liebe, sondern Hunger, denn alsbald war mir klar, dass diese Pizzasucht der Menschen eigenartig ist, dass mein Vater wahrscheinlich recht getan hatte.
Die Pizzaiuoli beluden einen geschmacklosen, mal harten, mal weichen Teig mit Material – schlechtem Schinken, Artischockenherzen und Pilzen aus der Büchse oder, horribile dictu, Wurstl – und der Gast tat so, als ob das gut sei. Das Tomatenpüree spottete dem Geschmack einer Tomate und vom geschmacklosen Gummimozzarella reden wir besser nicht. Wer war schuld an dieser Misere?
1952 wurde in Zürich die erste Pizzeria der Schweiz eröffnet, im selben Jahr war es auch in Deutschland so weit, in Österreich hingegen erst 1975. Ich würde behaupten, dass diese Pizzas 1952 gut waren. Doch bald ging etwas schief: Die Italiener verlernten die Kunst der Einfachheit – oder die Tamilen, Kosovaren, Schwyzer und Albaner dachten nur an den Umsatz. Die Pizzamisere war nicht die Schuld der Dosenananas.
Eine Pizza ist nun mal nicht mehr als ein mit Tomaten belegter Teigfladen. Besser ist sie, wenn noch Mozzarella (di Bufala) darauf ist. Aber das ist Geschmackssache. Erstere inklusive Oregano heisst Marinara, Letztere Margherita. «Da Michele» in Napoli serviert einzig und allein diese zwei. Der Teig nicht nur dieser neapolitanischen Pizza ist luftig, hat am Rand grosse Blasen, ist dort auch einmal eine Spur schwarz, wird aber zur Mitte hin sehr weich, da dort Käse und Tomaten «schwimmen».
Noch heute bestelle ich ausschliesslich die Margherita: Ist die Pizzeria gut, ist es ein Fest, ist sie schlecht, ist immerhin nicht so viel falsch. Ich schreibe «noch heute», da sich die Zeiten radikal geändert haben, gibt es doch immer mehr grossartige Pizzerias, wo echte neapolitanische Pizza serviert wird: in Zürich das «NA081» unweit des Hauptbahnhofs, «Con Gusto», das traumhaft gelegene «San Gennaro» oder neuerdings das famose «Margheri». In der Limmatstadt eröffnen jene, die Erfolg haben, bereits ihre Zweitfilialen. «Dio/Mio» heissen sie in Basel, «Coremio» in Aarau, «La Bestia» in Luzern. Der neapolitanische Pizzawinkelried sorgt sich um die Geniesser. Die «Pizza Napoletana» gewinnt an Boden, das Glück für 18 Franken liegt nah.