Ist der Heimatort wichtig für die Identität oder nur ein historisches Überbleibsel ohne Funktion?
Seit 2000 sind im Aargau 19 neue Gemeinden durch Zusammenschlüsse entstanden. Die Fusionen von Herznach und Ueken sowie Menziken und Burg sind beschlossen und werden auf den 1. Januar 2023 vollzogen. Eine Fusion hat auch Auswirkungen auf den Heimatort. Wer bis zur Fusion Bürgerin oder Bürger von Linn oder Gallenkirch war, hat seit 2013 den Heimatort Bözberg.
Der Regierungsrat will das Gemeindegesetz nun so anpassen, dass Bürgerinnen und Bürger nach einer Fusion ein Gesuch stellen können, damit ihr «alter» Heimatort weiterhin in Klammer angefügt wird. Anstatt Bözberg wurde es im Pass dann zum Beispiel Bözberg (Linn) heissen.
Weniger Widerstand gegen Fusionen?
Bei den Aargauer Parteien kommt die vorgeschlagene Gesetzesänderung gut an. Allen voran bei der SP, die die Änderung in einem Postulat gefordert hatte. Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten argumentieren, den bisherigen Heimatort zu verlieren, könne von Personen, die fest mit ihrer Heimat verbunden sind, als Identitätsverlust empfunden werden. Die Grünen sprechen sich ebenfalls für die Gesetzesänderung aus. Diese könne helfen, den Widerstand gegen Gemeindefusionen zu verringern.
Einverstanden mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ist auch die EVP. Auch wenn der Heimatort heute rechtlich keine grosse Bedeutung mehr habe, sei er für viele mit Emotionen verbunden. Die EVP findet es aber auch richtig, dass die dadurch entstehenden Verwaltungskosten in Form einer Gebühr durch die Gesuchstellenden bezahlt werden müssen.
Die Mitte sagt Ja, sofern der Aufwand für das Nachführen auch gewährleistet werden kann. Allerdings wehrt sich die Partei dagegen, dass Betroffene das Gesuch innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Gemeindeänderung einreichen können. Die Mitte findet: «Betroffene sollen dies sofort anmelden.»
FDP und GLP kritisieren «unnötige Bürokratie»
Die FDP und die GLP sind beide gegen die Gesetzesänderung. Die Freisinnigen wehren sich gegen «unnötige Bürokratie» und die «Komplizierung bestehender Regelungen». Der Heimatort habe eine abnehmende Bedeutung, die Gesetzesänderung würde nur wenige Einwohnerinnen und Einwohner betreffen, so die Freisinnigen.
Die GLP spricht in Bezug auf den Heimatort gar von einem «historischen Überbleibsel». Sie schreibt: «Dass neu auch noch eine ehemalige Wohngemeinde, welche seit einer Gemeindefusion nicht mehr existiert, in Klammer aufgeführt werden kann, schiesst aus unserer Sicht über das Ziel hinaus.»
Die SVP hat ein ganz anderes Problem
Die SVP und EDU äussern in ihren Stellungnahmen keine Vorbehalte. Sie stehen vollumfänglich hinter der vorgeschlagenen Gesetzesänderungen. Eine Bemerkung hat die SVP dann aber doch noch. Die Volkspartei ist nicht einverstanden mit der Einführung der Begriffe Gemeindebürgerinnen und -bürger, wie sie in Paragraf 8 und 11 aufgeführt werden.
«Abgesehen davon, dass es das nicht braucht, da Gemeindebürger neutral ist, werden diese Begrifflichkeiten nur an zwei Stellen im ganzen Gesetz eingefügt und die bisherigen Begriffe ‹Gemeindebürger› andernorts im Gesetz nicht geändert», schreibt die Partei. Das widerspreche dem systematischen und sinnlogischen Aufbau eines Gesetzes.