«Damit wird ein Polizeistaat geschaffen»: SVP kritisiert Umsetzung der Amtsenthebungsinitiative
Mehr Zustimmung ist kaum möglich:Mit rekordmässigen 84,3 Prozent wurde die Amtsenthebungsinitiative der damaligen BDP angenommen.Über 130’000 Aargauerinnen und Aargauer stimmten 2022 dafür, dass man untragbar gewordene Volksvertreter in Zukunft ihres Amtes entheben können soll. Etwa wenn sie Amtspflichten verletzt haben, in Strafverfahren verwickelt sind oder gesundheitliche Gründe die Amtsausübung verunmöglichen. Um solche Politikerinnen und Politiker loszuwerden, musste man bisher auf eine Abwahl oder einen vorzeitigen Rücktritt hoffen.
Nicht zuletzt die Affären um diezurückgetretene SVP-Regierungsrätin Franziska Rothoderden abgewählten Badener Stadtammann Geri Müllerdürften beim Stimmvolk mit ein Grund für die hohe Zustimmung gewesen sein. Ob sich die beiden jedoch tatsächlich vor einer Amtsenthebung hätten fürchten müssen, bleibt fraglich. Jedenfalls hat der Regierungsrat nun einen Umsetzungsentwurf präsentiert und die Parteien dazu Stellung nehmen lassen.
Umgesetzt wird die Initiative nicht in einem neuen Gesetz, sondern durch zahlreiche Ergänzungen in schon bestehenden Erlassen. Schliesslich gelten die neuen Bestimmungen für Amtsträger der Exekutive und Legislative auf kantonaler und Gemeindeebene.
Neben der erwähnten Amtsenthebung wird auch die Möglichkeit einer Amtseinstellung geschaffen. Bei einer Amtseinstellung werden sämtliche Rechte und Pflichten des Amts vorübergehend ausgesetzt. Grund für eine Einstellung ist, wenn eine Strafuntersuchung «wegen eines schweren Vergehens oder Verbrechens» gegen eine Amtsperson eröffnet wird. Für eine Amtsenthebung oder -einstellung eines Regierungsrats sieht der Entwurf eine Zustimmung von drei Vierteln des Grossen Rats zu.
Nicht explizit in der Initiative erwähnt, aber vom Regierungsrat vorgesehen ist zudem auch eine Wohnsitzpflicht für die gesamte Amtsdauer von Regierungs- und Grossräten sowie kommunalen Legislativ- und Exekutivbehörden.
«Dadurch wird ein Polizeistaat geschaffen»
Sämtliche politischen Lager im Aargau unterstützen die vom Regierungsrat angedachte Umsetzung – zumindest im Grundsatz. Bis auf die FDP gaben vor zwei Jahren alle Parteien die Ja-Parole heraus. Auch sie ist mit dem aktuellen Entwurf nun einverstanden. Sie fordert in ihrer Stellungnahme jedoch, dass entgegen der regierungsrätlichen Vorlage auch für kommunale Kommissionen eine Wohnsitzpflicht gelten solle.
Die EVP geht bei den Anforderungen für den Wohnsitz in die gegenteilige Richtung: Für sie gehen die Verschärfungen der Wohnsitzpflicht «über das eigentliche Anliegen der Initiative hinaus». Daher sollen hier überhaupt keine Änderungen vorgenommen werden.
Die Grünliberalen bemängeln am Entwurf, dass eine Amtseinstellung unter anderem auch bei schweren Vergehen möglich sein soll, ohne dass geregelt wäre, welche Taten in diese Kategorie fallen.
Weitere Vorbehalte äussert die SVP: Sie fordert eine zusätzliche Gesetzesbestimmung, dass eine Amtseinstellung wegen eines laufenden Strafverfahrens nur dann erfolgen kann, wenn gestützt auf das Strafverfahren auch eine Amtsenthebung erfolgen könnte. Auch mit der zwingenden Meldepflicht für Grossräte, die während ihrer Amtsdauer einen Eintrag im Strafregister erhalten, ist man nicht einverstanden. «Dadurch wird ein Polizeistaat geschaffen, was die SVP strikte ablehnt», heisst es in der Stellungnahme.
Grüne, Mitte und EDU sprechen sich praktisch vorbehaltlos für den Umsetzungsentwurf aus. Ebenso die SP, die auf eine Stellungnahme verzichtet hat. Ende Jahr wird sich der Grosse Rat für eine detaillierte Beratung über die Vorlage beugen. Ziel ist eine Inkraftsetzung der neuen Bestimmungen per Juli 2026.