Nur 1360 Franken pro Monat: Architekten und Maschinenbauer verdienen auch während der Ausbildung gut – nicht aber die Pflegenden
In der Pflege fehlen schweizweit Tausende diplomierte Pflegefachkräfte. Ein Grund dafür: Wer nach der Lehre eine Pflegeausbildung an der höheren Fachschule macht, muss finanziell untendurch. Das gab bereits im Rahmen der Pflegeinitiative, die das Stimmvolk im November 2021 angenommen hat, zu reden. Eine Publikation des Bundesamts für Statistik (BFS) liefert nun Zahlen dazu.
Die Statistiker untersuchten das Einkommen von Personen, die nach der Lehre ein Diplom einer höheren Fachschule, einen eidgenössischen Fachausweis oder ein eidgenössisches Diplom erwarben. Es geht also um die höhere Berufsbildung – in allen Bereichen. Viele packen eine solche Ausbildung an, nachdem sie mehrere Jahre gearbeitet und entsprechend verdient haben.
Drei Jahre mit 1360 Franken pro Monat
Ein Befund des BFS lässt daher aufhorchen: Bei der Mehrheit ist das Einkommen während der Ausbildung mindestens gleich hoch wie zuvor. Nur bei 15 Prozent geht es zurück. Betroffen sind drei Kategorien: Pflegepersonal, Gesundheit und persönliche Dienstleistungen.
Die Lohneinbusse beim Pflegepersonal ist empfindlich. Angehende diplomierte Pflegefachkräfte HF (nicht zu verwechseln mit Fachhochschule FH) müssen während der Ausbildung im Median mit 1360 Franken brutto im Monat auskommen. Median heisst: Die eine Hälfte hat mehr zur Verfügung, die andere weniger.
Dass das Einkommen bei 15 Prozent der Absolventen während der Ausbildung sinkt, hat laut BFS auch damit zu tun, dass es sich mehrheitlich um ein Vollzeitpensum handelt und Praktika vorgesehen sind. Die Unterschiede bei der höheren Berufsbildung sind gross: Teilweise ist nur ein Tag und ein Abend pro Woche Unterricht angesagt, sodass nebenbei gearbeitet werden kann.
Die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachfrau HF oder zum diplomierten Pflegefachmann HF ist hingegen in der Regel ein dreijähriges Vollzeitstudium, für Fachangestellte Gesundheit sind es zwei Jahre. Die Ausbildung besteht zur Hälfte aus Praktika. Angestellt sind die angehenden Pflegefachkräfte entweder von einem Betrieb im Gesundheitswesen oder von der Schule. Dass das Einkommen sinkt, ist also zumindest teilweise erklärbar. Dennoch wird das Problem deutlich.
Besserung ist in Sicht
Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) kritisiert das tiefe Einkommen während der Pflegeausbildung an Fachhochschulen und höheren Fachschulen seit langem. Christina Schumacher, stellvertretende Geschäftsführerin, sagt: «Der Mangel an diplomierten Pflegefachkräften ist gross. Gemäss Jobradar ist derzeit keine andere Berufsgruppe so gesucht wie sie.»
Um den Bedarf zu decken, müssten deutlich mehr Personen nach der Lehre zur Fachangestellten Gesundheit die Ausbildung zur diplomierten Pflegefachkraft absolvieren, sagt Schumacher. Dass es nicht mehr sind, habe auch mit dem Einkommen zu tun: «Der Lohn während der dreijährigen Ausbildung ist viel zu tief. Im ersten Jahr sind es je nach Kanton 800 Franken im Monat. So können es sich gar nicht alle leisten, die Ausbildung zu absolvieren.»
Die Politik hat reagiert. Um die Pflegeinitiative umzusetzen, ist als erste Etappe eine Ausbildungsoffensive vorgesehen. Insgesamt sollen Bund und Kantone während acht Jahren bis zu einer Milliarde Franken in die Ausbildung investieren. Vorgesehen sind unter anderem Ausbildungsbeiträge für angehende Pflegefachpersonen an einer höheren Fachschule oder an einer Fachhochschule. Das Parlament hat diese Etappe bereits beschlossen, das Gesetz soll voraussichtlich Mitte 2024 in Kraft treten.
«Die Ausbildungsoffensive sollte Besserung bringen», sagt Schumacher. Es sei sehr wichtig, in die Ausbildung zu investieren. «Aber es reicht nicht: Wichtig ist vor allem, dass nicht mehr so viele aus dem Beruf aussteigen.» Laut SBK hängen 36 Prozent der diplomierten Pflegefachkräfte bereits in den ersten drei Berufsjahren nach dem Abschluss ihren Job an den Nagel. Deshalb müsse die zweite Umsetzungsetappe «unbedingt schnellstmöglich angepackt werden». Diese soll insbesondere die Arbeitsbedingungen verbessern. Erste Eckwerte sollen demnächst vorliegen.