Nach dem KSA-Debakel: Das sagen die Parteien zur Gesundheitsstrategie des Kantons
Drei Monate lang hatten die Parteien Zeit, sich zur Gesundheitspolitischen Gesamtplanung zu äussern. Das Papier enthält die strategischen Ziele und Grundsätze im Gesundheitswesen. Es dient der Verwaltung und der Politik als Richtlinie und Planungsinstrument.
Eine Woche vor Ablauf der Vernehmlassungsfrist kam es im Aargauer Gesundheitswesen zum Knall. Das Kantonsspital Aarau (KSA) musste darüber informieren, dass es 240 Millionen Franken aus der Kantonskasse braucht. Ohne finanzielle Unterstützung droht dem Spital die Überschuldung.
Auch wenn es im Strategiepapier um viel mehr geht, als die zukünftige Rolle und Organisation der Akutspitäler, wird die Politik im Wissen um das KSA-Finanzdebakel einzelnen Aspekten wohl mehr Gewicht geben oder sie in einem neuen Licht beurteilen.
Privatisierungsfrage gewinnt an Relevanz
Für FDP-Kantonalpräsidentin und Grossrätin Sabina Freiermuth ist zum Beispiel «sonnenklar», dass die Teilstrategien zur Eigentümerschaft der Kantonsspitäler mit dem Finanzhilfegesuch «eine neue Relevanz erhalten». Für die FDP beweist das Finanzhilfegesuch, «dass die Mehrfachrolle des Kantons dringendst zu entflechten ist».
Ebenso sei eine Veräusserung oder Teilveräusserung der Kantonsspitäler umzusetzen, findet die FDP. «Ohne die Sicherheit der Beteiligung durch die öffentliche Hand hätte das KSA die Kredite für den Neubau nie erhalten», sagt Freiermuth. «Das Spital wäre gezwungen gewesen, den Neubau zu redimensionieren.»
Nebst der FDP befürworten auch die Mitte und die SVP die Vorschläge des Regierungsrats zur Eigentümerschaft der Kantonsspitäler. Für die Mitte ist die Vernehmlassung ein guter Zeitpunkt, um die Weichen für die Zukunft der Gesundheitsversorgung zu stellen. Die SVP hält fest, sie hätte in Bezug auf die Eigentümerschaft weitergehende Möglichkeiten begrüsst, weil nur so der bestehende Rollenkonflikt beim Kanton entschärft werden könne.
SP, Grüne, GLP und EVP gegen Privatisierung
Anders sehen es SP, Grüne, GLP und EVP. Alle vier Parteien sind gegen einen Verkauf oder Teilverkauf des beiden Kantonsspitäler und der Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG). «Eine Teilveräusserung löst kein Problem», schreibt die GLP. Die Grundversorgung dürfe nicht zum rentablen Geschäft werden, sondern müsse durch die Spitäler sichergestellt werden.
Die SP warnt, dass mit einem Teilverkauf das Angebot dem Zufall eines Gesundheitsmarktes ausgesetzt würde. Kantonsspitäler zu verkaufen komme «einer Bankrotterklärung des Staates» gleich.
Für die Grünen lösen Diskussionen über einen (Teil-)Verkauf von kantonseigenen Spitälern unter dem Vorwand von Rollenkonflikten «kein einziges relevantes Problem». So argumentiert auch die EVP. Eine Teilveräusserung der eigenen Spitäler schaffe neue Abhängigkeiten. Die immense Bilanzberichtigung des KSA ist für die EVP kein Grund für eine Teilprivatisierung.
SP und GLP wollen Spitäler strategisch zusammenlegen
Für Nora Langmoen, SP-Co-Präsidentin, ist auch nach dem KSA-Finanzdebakel klar, dass die Versorgung der kränksten Patienten im Kanton gewährleistet sein und finanziell ermöglicht werden muss, «ohne dass deswegen der finanzielle Ruin droht». Der Kanton müsse jetzt die von ihm verschuldete Unterfinanzierung ausgleichen.
Sowohl SP als auch GLP sprechen sich in der Vernehmlassung für eine strategische Zusammenlegung der Kantonsspitäler aus. Die SP schreibt, damit könnten Ineffizienzen ausgemerzt, die fachlichen Schwerpunkte im Kanton gesetzt und Know-how gebündelt werden.
Es muss jetzt schnell gehen
Zwar sehen alle Parteien noch Verbesserungspotenzial. Insgesamt nehmen sie die Gesundheitspolitische Gesamtplanung (GGpl) aber wohlwollend zur Kenntnis. Das dürfte auch daran liegen, dass die Überarbeitung des Strategiepapiers überfällig ist. Die aktuelle GGpl stammt aus dem Jahr 2010.
Die SVP ist zuversichtlich, dass die vorliegende Gesamtplanung im Grundsatz verabschiedet werden könne. Und wichtiger noch, dass danach zentrale Themen im Gesundheitswesen weiter vertieft und lange hängige Gesetzesprojekte angepackt werden könnten. Die FDP erwartet ebenfalls, dass die Botschaft jetzt zügig erarbeitet wird und es keine weiteren Verzögerungen mehr gibt.
Strategische Entscheidungen positiv fürs KSA
Für EVP-Co-Präsidentin Therese Dietiker ist klar, dass das Strategiepapier wegen des KSA-Finanzhilfegesuchs nicht nochmals in einem jahrelangen Prozess überarbeitet werden sollte. «Viele Gesundheitsthemen warten schon zu lange auf eine definitive Positionierung im kantonalen Budget oder bedürfen endlich klarer Entscheidungen.» Ausserdem ist Dietiker überzeugt, dass sich strategische Entscheidungen auch positiv auf das in Finanznöten steckende KSA auswirken.
Der Regierungsrat wird die eingegangenen Antworten nun auswerten und eine Botschaft an den Grossen Rat erarbeiten. Im Rahmen der Auswertung werde sich die Regierung erneut mit den Strategien zur Spitalversorgung und zur Eigentümerschaft befassen, teilt das Gesundheitsdepartement mit. Dies soll auch vor dem Hintergrund des Finanzhilfegesuchs des KSA geschehen.