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Wie die Aargauer Psychiatrie zwischen Selbstbestimmung und Sicherheit balanciert

Die Aargauer Psychiatrie möchte neue Wege gehen, was freiheitsbeschränkende Massnahmen betrifft. Schwierigkeiten bereiten die fehlenden Anschlusslösungen nach einem stationären Aufenthalt.

Für Psychiatrien ist es keine einfache Zeit. Die Nachfrage nach Behandlungen steigt, ebenso die Zahl der Patientinnen und Patienten mit multiplen Diagnosen. Mancherorts fehlt es an Ressourcen und geht etwas schief, lässt die Kritik von Gesellschaft und Medien nicht lange auf sich warten.

Das hat auch damit zu tun, dass sich die Ansprüche in den letzten Jahren gewandelt haben. So nehmen etwa Menschen schneller Hilfe in Anspruch als früher. Zudem sollen Psychiatrien freiheitsbeschränkende Massnahmen reduzieren, ohne dass es Einbussen bei der Versorgungsqualität und Sicherheit gibt. Es ist ein Balanceakt.

Am Montag wurde bei den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG) darüber diskutiert, wie dieser Balanceakt gelingen kann. An einer Veranstaltung namens «PDAG Connect» versammelten sich auf dem Königsfelden-Areal Expertinnen, Politiker, Polizeivertreter, Betroffene, Angehörige – und alle anderen, die irgendwie mit der Psychiatrie in Berührung kommen.

Dass es Baustellen gibt, bestritt niemand: So sagte etwa der Aargauer Gesundheitsvorsteher Jean-Pierre Gallati gleich zu Beginn: «Wir haben einen Versorgungsengpass, besonders bei Kindern und Jugendlichen.» Es fehle an Angeboten, die PDAG könne den Bedarf im Aargau nicht abdecken. Das sei allerdings in der ganzen Schweiz ein Problem.

Bei Autismus-Abklärungen oder der Behandlung von Essstörungen etwa gebe es grosse Verzögerungen, was fatale Auswirkungen haben könne. Weiter fehle es nach einem stationären Aufenthalt oft an Anschlusslösungen, auch weil die Fachkräfte fehlten, sagte Gallati. Mit der kürzlich vom Grossen Rat verabschiedeten Gesundheitspolitischen Gesamtplanung 2030 (GGpl) würden nun Massnahmen aufgegleist, um die Situation zu verbessern, etwa in dem das ambulante Angebot oder die Notfallversorgung gestärkt werde.

CEO ist überzeugt, dass die PDAG mehrheitlich gut arbeitet

Die PDAG ist in den letzten Jahren wiederholt in Kritik geraten. In der Folge haben GLP-Grossratsvertreter mehrere Vorstösse eingereicht.Ihnen seien Fälle bekannt, die Fragen zur Qualität der Psychiatrischen Dienste Aargau aufwerfen, argumentieren sie. Die Vorstösse sind noch nicht beantwortet.

CEO Beat Schläfli sagte am Montag grundsätzlich: «Uns passieren Fehler, das ist unbestritten.» Grösstenteils mache man bei der PDAG aber einen guten Job, was in der Medienberichterstattung oft vergessen gehe.

Zu den von Gallati angesprochenen Problemen sagte Schläfli: «Auf der Station haben wir keinen Auftrag für Langzeitversorgung. Wir dürfen Patientinnen und Patienten nicht zu lange behalten. Deshalb sind wir auf Anschlusslösungen angewiesen.» Er hoffe, dass sich die Situation mit der GGpl verbessere.

Marc Walter, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wies darauf hin, dass der Spagat zwischen Selbstbestimmung und Sicherheit schwierig ist. Er diskutierte auf der Bühne mit einer Sozialarbeiterin, der Teamleiterin der Nachtwachen, einer Expertin und einer Angehörigen. Doch die PDAG sei innovativ unterwegs: Aktuell werde eine neue Art von Fixierung getestet, bei der sich Patientinnen und Patienten selbst befreien können. «Bisher haben wir damit nur gute Erfahrungen gemacht», sagte Walter. Die Nachtwache-Teamleiterin konnte das bestätigen.