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Achtung vor dem vermeintlichen Champignon: Aktuell ist kein Gegenmittel für den Knollenblätterpilz verfügbar

Für einen der giftigsten Pilze kann aus dem Ausland kein Gegenmittel bezogen werden. Pilzsammlerinnen und -sammler müssen daher besonders vorsichtig sein und ihre Pilze prüfen lassen.

Immer im Herbst erhält Tox Info mehrmals täglich Anrufe wegen möglicher Pilzvergiftungen. Ein häufiger Verdacht: ein verzehrter Knollenblätterpilz. Dieser weisse Pilz kann von Laien mit einem Champignon verwechselt werden, doch der hat braune Lamellen unter dem Hut. Der Knollenblätterpilz hat weisse. Für einen Erwachsenen kann es schon tödlich sein, wenn 35 Gramm davon verspeist wird – was nicht einmal einem ganzen Pilz entspricht. Bei Pilz-Todesfällen ist in der überwiegenden Mehrheit der Knollenblätterpilz schuld.

Dies insbesondere, weil die ersten Vergiftungssymptome erst nach acht Stunden auftreten, wenn das Auspumpen des Magens nichts mehr bringt. Unbehandelt wird in der Folge die Leber so stark geschädigt, dass Patienten nur mit einer Lebertransplantation gerettet werde können.

Es ist das Gift Amatoxin, welches die Leber zerstört. Und dieses ist so hitzeresistent, dass es beim Kochen nicht zerstört wird. Es gibt zwar das Gegengift Silibinin, das aus der Mariendistel gewonnen wird, doch es verbessert die Überlebenschancen nur, wenn man es so rasch wie möglich einnimmt.

Das Gegengift wird häufig verabreicht – echte Fälle sind selten

«Deshalb werden in der Schweiz viele Leute mit Knollenblättervergiftungs-Verdacht mit Silibinin behandelt – bevor das Labor bestätigen konnte, dass tatsächlich ein Knollenblätterpilz verzehrt wurde», sagt Cornelia Reichert, leitende Ärztin bei Tox Info Suisse.

Doch aktuell kann das global tätige Pharmaunternehmen Viatris das Antidote «Legalon» mit dem Inhaltsstoff Silibinin bis mindestens Mitte November nicht liefern. Diese präventive Behandlungsmöglichkeit ist damit aktuell nicht möglich. Umso wichtiger ist, dass man seine Pilze vor dem Verzehr bei der Pilzkontrolle begutachten lässt.

Tatsächlich sind aber Vergiftungen mit Knollenblätterpilzen selten: «Bestätigte Fälle haben wir in der Schweiz praktisch keine», sagt Cornelia Reichert.

Bei den vielen Anrufen bei Tox Info Suisse handelt es sich manchmal auch um einen Vergiftungsverdacht nach dem Verspeisen von gekauften Pilzen. Da Pilze schnell verderblich sind, können sie auch deswegen Bauchschmerzen verursachen, die aber nur sehr selten vom Arzt behandelt werden müssen.

Letztes Jahrmeldeten chinesische und australische Forschende, dass auch der Farbstoff Indocyaningrün die Aufnahme von Amatoxinen verhindern kann. Das Forschungsteam stiess auf diese Substanz, indem sie den Giftstoff α-Amantinin mit der Crispr-Genschertechnik analysiert hatten. Menschliche Zellen überlebten im Labor eher, wenn sie zusätzlich Indocyaningrün ausgesetzt waren. Allerdings nur, wenn es innerhalb von vier Stunden geschah – nachher war die Wirkung dahin.