Rüeblitorte für Grossratsmitglieder bringt keinen Erfolg: Kantonsparlament lehnt die Initiative zur Lohngleichheit ab
Da helfen auch die Rüebli-Törtchen nichts. Bei eisigen Temperaturen erwarteten Vertreterinnen der Arbeitnehmendenverbände die eintreffenden Grossräte am Dienstag mit Kuchen und der Forderung nach Lohngleichheit. Auf den Törtchen kleben halbe Marzipanrüebli: «Wir wollen aber ganze Rüebli», sagt etwa Ruth Müri (Grüne) und bietet Silvan Hilfiker (FDP) ein Stück an. «Süsses mag ich nicht», schlägt er aus und geht in den Saal.
Drinnen stellt sich heraus, dass er auch die Initiative zur Lohngleichheit nicht mag. Diese fordert, dass Unternehmen ab fünfzig Mitarbeitenden darlegen müssen, dass der Betrieb beim Salär niemanden diskriminiert. Für Firmen ab hundert Mitarbeitenden gilt diese Pflicht bereits, so verlangt es das Bundesgesetz.
Lohnanalyse als «Bürokratiemonster»
Das Instrument, um die Benachteiligung festzustellen, ist die Lohnanalyse. Und diese mutiert in der Debatte zum Schimpfwort. Von einem «Bürokratiemonster» ist die Rede, und FDP-Fraktionssprecher Adrian Schoop sagt: «Die Initiative will mit Bürokratie etwas lösen, was heute schon kein Problem mehr ist.» KMU-feindlich sei die Forderung, sagte Schoop. Und seine Fraktionskolleginnen und -kollegen hangeln sich in ihrer Argumentationskette von einer unnötigen Initiative zu einer unmöglich umsetzbaren Initiative durch. Eine wirtschaftsfeindliche Initiative, findet auch die SVP-Fraktion.
Die Voten von SP und Grünen verhallen. Da nützt selbst die Fürsprache von Bea Bieber (GLP) nichts, die – als Vorstandsmitglied von Gleichstellung Aargau – darauf hinweist, dass eine solche Analyse erstens nicht viel verlange und zweitens für Unternehmen, die sich für besonders familiär halten, eigentlich interessant sein müsste.
Mitte-Grossrat zweifelt an Verfassungsmässigkeit
Die Worte kommen nicht einmal bei ihrer eigenen Partei an. Die GLP sowie die Mitte sehen zwar Handlungsbedarf, empfinden den Aufwand für Firmen und Kanton aber als unverhältnismässig gross, wie Markus Schneider (Mitte) es formuliert.
Sein Fraktionskollege Harry Lütolf (Mitte) befürchtet sogar, dass die Initiative in Teilen gegen Bundesrecht verstösst. Mit dieser Haltung steht Lütolf aber ziemlich alleine da. Lediglich 14 von 133 Grossrätinnen und Grossräte wünschten, die Initiative dem Stimmvolk vorzuenthalten und für ungültig zu erklären. Auch Regierungsrat Dieter Egli spricht sich für die Volksabstimmung aus, die wohl im Frühling ansteht.
Befürworterinnen und Gegner bringen sich in Stellung
Zusätzlich zu Lohnanalysen fordert die Initiative, die Fachstelle Gleichstellung wiederzubeleben. Diese sparte der Kanton 2018 weg. Seither werden Gleichstellungsthemen in den einzelnen Departementen, «dezentral» behandelt, wie Dieter Egli sagt. Ein grosses Problem, wie Michael Wacker (SP) findet. Für Private und für die öffentliche Hand fehle ein Ansprechpartner für Gleichstellungsthemen. «Das ist nicht nur für die Verwaltung ein Problem, sondern auch für die Wirkung gegen aussen», so Wacker.
Zu überzeugen vermochte aber auch er nicht. Der Grosse Rat lehnt die Initiative mit 97 zu 35 Stimmen ab. Damit folgt er der Empfehlung des Regierungsrates. Schon im Frühling könnte das Stimmvolk darüber befinden.
Der Gewerkschafts-Dachverband Arbeit Aargau reagiert kämpferisch auf die Absage im Parlament und schreibt in einer Mitteilung: «Wir sind überzeugt, dass das Stimmvolk den Missstand bei der Lohngleichheit anders beurteilen wird als die Mehrheit der Aargauer Politik.» Auch die Aargauische Industrie- und Handelskammer (AIHK) hat sich in Stellung gebracht. Sie teilt mit, die Lohnanalyse sei ein «nutzloser Papiertiger, der vor allem für noch mehr Bürokratie sorgt und den Standort Aargau schwächt.»