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SVP-Rösti und SP-Herzog sind so gut wie gewählt: Was wirklich hinter den wilden Spekulationen steckt

Noch ist die Anmeldefrist für Kandidierende nicht abgelaufen. Doch schon jetzt spekulieren Expertinnen und Experten auf allen Kanälen, wie die Bundesratswahl laufen wird. Wir aber wissen es wirklich. Eine Übersicht von schräg oben.

Die Schweiz ist eine Willensnation. Sie besteht aus Minderheiten, die sich zusammenschliessen, um Mehrheiten zu erlangen.

Das gilt ganz besonders bei Bundesratswahlen. Denn im Bundesrat kommt zusammen, was nicht zusammengehört, sondern zusammen sein muss: Rechte und Linke, Deutschsprachige und Romands, Bergler und Mittelländerinnen, Zahler und Empfänger sowie Frauen und Männer. Neu auch: praktizierende Eltern versus Kinderlose und Omis.

Die Aufzählung macht deutlich, dass eine Berücksichtigung all dieser Kriterien bei einer Regierung mit nur sieben Sitzen unmöglich ist. Deshalb hat man sich in der Bundesverfassung auf den Hinweis beschränkt, bei Bundesratswahlen sei «darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sind».

Die Erfindung der lateinischen Schweiz

Dieser Bestimmung verdanken wir die «lateinische Schweiz», bestehend aus der Romandie und der italienischen Schweiz. Ein Konstrukt, das ausschliesslich vor Bundesratswahlen auftaucht und danach sofort wieder verschwindet. Sein einziger Zweck ist es, Kandidierende aus bestimmten Gegenden zu privilegieren, beziehungsweise zu diskriminieren – und dabei so zu tun, als ginge es nicht um die zur Diskussion stehenden Personen, sondern um den Zusammenhalt des Landes.

Bei den Ersatzwahlen für Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga spielt die lateinische Schweiz nur im Falle der SP-Kandidatin Elisabeth Baume Schneider eine Rolle: Mit der Wahl der Jurassierin, deren berntreue Grosseltern im tiefsten Jura stets Berndeutsch sprachen, erhielte die lateinische Schweiz vier Sitze. Die Mehrheit der Deutschsprachigen hingegen wäre im Bundesrat krass untervertreten, so die Befürchtung im Sendegebiet von Radio Beromünster.

Doch schon jetzt zeichnet sich auch innerhalb der Deutschschweiz ein Kampf der Regionen ab. Am Start sind wie üblich Bern, Zürich und die Zentralschweiz. Als Exotin mischt auch wieder einmal die Nordwestschweiz mit, diesmal sogar mit Aussicht auf Erfolg.

Fehlender Stallgeruch und die Übervertretung der Uni Zürich

Zur Ausgangslage: Mit Evi Allemann von der SP und den SVP-Parlamentariern Albert Rösti und Werner Salzmann ist der Kanton Bern gleich mit drei Kandidaturen am Start. Das spricht gegen alle drei. Bern ist historisch in der Regierung übervertreten, sowohl was die Bevölkerungszahl betrifft als auch gemessen an der Wirtschaftsleistung des Kantons. Doch als Verwaltungsstandort bringt Bern naturgemäss überdurchschnittlich viele Menschen mit einem Hang zur Verwaltungskarriere hervor. Kommt hinzu, dass die Pendeldistanz ins Bundeshaus relativ günstig ist.

Zürich hat, was die Bevölkerungszahl betrifft, zweifellos Anspruch auf einen Bundesratssitz, sicher mehr als die SP und die FDP auf je zwei. Doch diesmal ist downtown Switzerland mit Aussenseitern am Start: SP-Mann Daniel Jositsch ist es bisher nicht geglückt, seinen rot-grünen Zürcher Feministinnen und Feministen klarzumachen, wie er sie im Bundesrat vertreten will. So wenig, wie man sich vorstellen kann, dass der urbane Akademiker Hans-Ueli Vogt den Stallgeruch der SVP ins Bundesratszimmer trägt. Zudem wird sich die Bundesversammlung zurecht die Frage stellen, ob die Uni Zürich mit zwei Rechtsprofessoren im Bundesrat nicht krass übervertreten wäre.

Die Zentralschweiz bringt diesmal Farbe ins Spiel. Michèle Blöchliger, die nidwaldnerisch-britische Doppelbürgerin ohne Pass, bringt als Regierungsrätin und Verwaltungsrätin ein innovatives Verständnis der Amtsführung als eine Public-private-Partnership (PPP) mit; dem Parlament dürfte es freilich zu innovativ sein. Heinz Tännler, der Zuger Finanzdirektor, weiss derweil als ehemaliger Hockey-Einzelrichter, was ein Bodycheck ist. Das würde ihn als Aussenminister für Verhandlungen mit der EU prädestinieren – doch vermutlich reicht es nicht.

Erfolg dank linker Lebenslüge und einer Wurfprämie für Freiberger-Fohlen

Denn diesmal kommt die historisch in der Regierung eklatant untervertretene Nordwestschweiz mit Macht angebraust: In Person der grummeligen Sozialdemokratin Eva Herzog. Mit ihrer betont wirtschaftsfreundlichen Steuerpolitik und pointiert linken gesellschafts- und sozialpolitischen Positionen personifiziert die ehemalige Basler Finanzdirektorin und heutige Ständerätin die Lebenslüge urban-linker Politik: So sehr man Konzerne auch kritisiert und verurteilt, ihre Steuergelder sind zur Finanzierung ökologischer und sozialer Leistungen jederzeit willkommen. Was hier nach Widerspruch tönt, ist typisch eidgenössische Politik: Die Minderheit der rot-grünen Städterinnen und Städter verbindet sich mit der Minderheit der Konzernlobby. Das dürfte Herzog in der Bundesversammlung zur Wahl verhelfen.

500 Franken vom Bund für jedes Freiberger Fohlen: Landet Rösti dank Wurfprämie in der Regierung?
Bild: Bruno Kissling/Oltner Tagblatt

Bleibt der zweite Sitz. Er geht an Albert Rösti. Obwohl er Berner ist. Entscheidend ist ein Mandat, das auf den ersten Blick nebensächlich scheint: Rösti ist Präsident des Schweizerischen Freibergerverbands, in dem die jurassischen Pferdezüchter vereinigt sind. Bereits hat er ihnen letztes Jahr zusammen mit seinem Parteikollegen Guy Parmelin, dem Landwirtschaftsminister, die Wurfprämie für Stuten gesichert: 500 Franken gibt es pro Fohlen. Dagegen ist die jurassische Kandidatin Baume-Schneider sogar im Jura chancenlos. Rösti ist so gut wie gewählt.