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«Mag der Sturm stark sein – die Briten sind stärker»

Queen Elizabeth II. empfängt Liz Truss auf Schloss Balmoral - ein Novum in ihrer Amtszeit.

Die neue Premierministerin hat den Briten rasche Hilfe bei der Bewältigung der exorbitant steigenden Preise für Strom und Gas zugesagt. Der Kampf gegen die von Russlands Überfall auf die Ukraine heraufbeschworene Energiekrise werde zu den Prioritäten ihrer Amtszeit gehören, sagte Liz Truss am Dienstag Abend. Nur indirekt nahm die Konservative Bezug auf die düstere wirtschaftliche Lage: «Mag der Sturm auch stark sein – die Briten sind stärker.»

Der Konvoi der 47-Jährigen, die zur Regierungsbeauftragung nach Schottland gereist war, machte auf dem Weg vom Flughafen erhebliche Umwege durch den Londoner Feierabendverkehr. Dadurch gelang es den Planern, Truss die vierminütige Ansprache vor ihrem Amtssitz in der Downing Street mit der berühmten schwarzen Tür samt goldener Zehn zu ermöglichen. Die dort wartenden Journalisten und Unterstützer der neuen Regierungschefin hatten zwischenzeitlich vor einem heftigen Regenschauer unter die Regenschirme flüchten müssen.

Entlastungen für Bürger in Milliardenhöhe geplant

Am späteren Abend sollten auch die wichtigsten Kabinettsposten bekanntgegeben werden. Am Donnerstag will Truss ein überfälliges Entlastungspaket für Bürger und Unternehmen vorlegen, die von massiven Kostensteigerungen für Strom und Gas bedroht sind. Offenbar plant die Regierung dafür mit Kosten von umgerechnet bis zu 148 Milliarden Franken.

Tags zuvor war Truss von den Konservativen als neue Parteichefin und damit Nachfolgerin von Boris Johnson im höchsten Regierungsamt gewählt worden. Am Dienstag reisten beide zur Audienz bei Queen Elizabeth II. nach Schloss Balmoral in den schottischen Highlands. Die zunehmend gehbehinderte Königin, 96, empfing zum ersten Mal in ihrer 70-Jährigen Amtszeit den scheidenden Regierungschef und seine Nachfolgerin nicht im Londoner Buckingham-Palast.

Anders als bei Truss’ regenbedrohtem Auftritt schien morgens die Sonne auf die Downing Street. Das Rednerpult für Johnson hingegen stand im Schatten, als der 58-Jährige gegen 7.30 Uhr seine Abschiedsansprache hielt. Freilich war viel von sonnigen Errungenschaften die Rede; mit keinem Wort ging Johnson auf die zahlreichen Lockdown-Partys ein, die ihn das Vertrauen von Wählerschaft und Unterhausfraktion gekostet hatten.

Wie sie ihre Abgeordneten bei Laune halten kann, über solche und ähnliche Schwierigkeiten ihres neuen Amtes kann sich Truss nicht nur – eine historisch beispiellose Situation – mit sechs lebenden Ex-Premiers, allesamt unter 80 Jahre alt, austauschen; sie muss auch mit der Anwesenheit ihrer beiden unmittelbaren Vorgänger, Johnson und Theresa May, auf den Hinterbänken der Fraktion fertig werden. Der scheidende Premier neckte seine Nachfolgerin sogar mit dem Hinweis auf ein mögliches Comeback: Er kehre wie einst der römische Konsul Cincinnatus nach getaner Arbeit «an den Pflug zurück», teilte der Altphilologe mit. Es dauerte nicht lang, bis die Nation die Lexika-Einträge über den Staatsmann des fünften Jahrhunderts vor Christus studiert hatte: Der Muster-Republikaner Cincinnatus diente, vom römischen Senat berufen, zweimal als Diktator.

Preise für Strom und Gas werden eingefroren

Wie vom Personenschutz verlangt, flogen Johnson und dessen Gattin Carrie sowie Truss mit ihrem Mann Hugh O’Leary in separaten Regierungsfliegern nach Aberdeen, gut 70 Kilometer von Balmoral entfernt. Dass der Regierungsweg nicht immer in gerader Linie verläuft, erfuhr die neue Chefin dabei am eigenen Leib: Wegen anhaltenden Nebels über der Ölstadt im Nordosten musste Truss’ Flugzeug mehrere Schleifen drehen.

Hingegen hat sich der Nebel gelichtet, der bisher die Reaktion der neuen Regierung auf die schwere Energiekostenkrise umgab. Medienberichten zufolge sollen die Preise für Strom und Gas auf derzeitigem Niveau eingefroren und mindestens über den Winter, womöglich sogar bis ins Frühjahr 2024 gehalten werden. Dem bisher geltenden Preisdeckel zufolge wären die Kosten für durchschnittliche Privathaushalte Anfang Oktober um bis zu 80 Prozent in die Höhe geschnellt. Für Geschäfte und Unternehmen, die keine Preisbegrenzung in Anspruch nehmen können, war sogar von Steigerungen bis zu 1000 Prozent die Rede.