Triumphaler Sieg für die Labour-Party: Keir Starmer wird neuer Premierminister
Die gemeinsame Prognose der grossen TV-Sender, angeführt von der BBC, sagte nach Schliessung der Wahllokale den Sozialdemokraten 410 von 650 Sitzen im Unterhaus voraus. Damit wird Oppositionsführer Keir Starmer neuer Premierminister. Die Konservativen des bisherigen Regierungschefs Rishi Sunak stürzen auf etwa 131 Sitze ab, ihr schlechtestes Ergebnis seit 1906.
Die 650 Wahlkreise können teilweise deutlich vom Landestrend abweichen; detaillierte Ergebnisse werden erst für Freitag morgen erwartet. Die Prognose des Demoskopen-Teams rund um Professor John Curtice von der Glasgower Strathclyde-Universität hat sich aber in den vergangenen Wahlen als robust erwiesen.
Die führenden Politiker wie Sunak, Starmer und der liberaldemokratische Parteichef Edward Davey waren am Donnerstag frühzeitig an die Urnen geschritten. Jegliche Wahlberichterstattung war an diesem Tag verboten, lediglich Berichte über die vergleichsweise hohe Beteiligung machten die Runde. Bei den drei vergangenen Urnengängen hatten jeweils rund zwei Drittel der ins Verzeichnis eingetragenen Briten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Über 70 Prozent lag sie zuletzt beim Labour-Erdrutschsieg unter Tony Blair 1997 – und beim Brexit-Referendum vor acht Jahren.
«Super-Mehrheit» für Labour verhindern
Geschickt nutzte die Tory-Parteizentrale das Gerede über angeblich viele Wähler für einen allerletzten Appell an die eigenen Anhänger: «Wir haben eine viel bessere Chance als die Umfragen uns eingeredet haben.» Ohnehin beschränkten sich Sunak und sein Team im Wahlkampf weitgehend darauf, die Apathie in den eigenen Reihen zu bekämpfen und eingefleischte Tory-Anhänger bei der Stange zu halten. Das ging diese Woche so weit, dass Kabinettsmitglieder wie Sozialminister Mel Stride praktisch die bevorstehende Niederlage einräumten: Es gelte nun vor allem, eine «Super-Mehrheit» für Labour zu verhindern.
Mit dieser Warnung bombardierten auch am Donnerstag Tory-Abgeordnete die Wähler. So schickte der aus vielen Deutsch-sprachigen Talkshows bekannte Staatssekretär Greg Hands noch um 19 Uhr Ortszeit, vor Schliessung der Wahllokale, eine Email an die Menschen in seinem West-Londoner Wahlkreis Chelsea und Fulham: «drei Stunden, um die Super-Mehrheit zu vermeiden».
Abgesehen davon, dass dieser aus Amerika stammende Begriff im britischen System keinerlei Bedeutung hat: Dass ausgerechnet die Konservativen vorzeitig das Handtuch warfen, stiess bei den politisch Interessierten auf Kopfschütteln. Bisher galt auf der Insel die Tradition, auch in aussichtslosester Lage und bis zum letzten Moment Optimismus auszustrahlen, verewigt in jenem köstlichen Monty Python-Sketch, in dem der schwarze Ritter seinen abgeschlagenen Arm als «nur ein Kratzer» abtut.
Mehr als einen Kratzer musste am Donnerstag auch die schottische Nationalpartei SNP hinnehmen. Sie stürzte offenbar von 48 Sitzen bei der Wahl im Dezember 2019 auf diesmal 10 Mandate ab. SNP-Chef John Swinney hatte vorab eine Mehrheit der insgesamt 57 in Schottland zu vergebenden Sitze ins Visier genommen: Dies werde ihm Rückenwind geben für die Forderung nach einem neuerlichen Unabhängigkeitsreferendum. Davon kann nach dem Abschneiden am Donnerstag keine Rede mehr sein. Profiteur des SNP-Einbruchs dürfte auch im britischen Norden die Labour-Party gewesen sein.