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Nach Zerschlagung eines Drogenrings: Grüne Lokalpolitikerin sitzt im Moment ihrer Wahl im Gefängnis

Eine Genfer Parlamentarierin wird verdächtigt, Teil eines Drogenrings zu sein. Während sie hinter Gittern sitzt, glückt ihr die Wiederwahl. Warum wurde die Stimmbevölkerung nicht informiert?

Die Genfer Grünen sind gerade nicht zu beneiden. Bei den Kommunalwahlen am Wochenende verlor die Partei in vielen Gemeinden Sitze – allein in der Stadt Genf sechs. Und nun sorgt auch noch eine verhaftete Gemeindeparlamentarierin für Polemik. Der Fall ist so aussergewöhnlich wie kurios. Die grüne Politikerin, die am Sonntag in der Gemeinde Grand-Saconnex in ihrem Amt bestätigt wurde, sass während ihrer Wahl in Untersuchungshaft – im berühmt-berüchtigten Gefängnis Champ-Dollon, der grössten Haftanstalt der Schweiz.

Das erfuhr die Öffentlichkeit jedoch erst am Montag nach der Wahl. Wie die«Tribune de Genève»und das Westschweizer Fernsehen RTS berichteten, wird die Lokalpolitikerin verdächtigt, Teil eines Drogenrings zu sein. Sie soll zu dessen Funktionieren beigetragen haben, während der Sohn der Kopf des gut organisierten Netzwerks gewesen sei. In der Wohnung der Familie habe die Polizei ein Kilogramm Kokain gefunden.

Die Genfer Staatsanwaltschaft bestätigt die Festnahme der Gemeindepolitikerin. Sie erfolgte am letzten Mittwoch im Zuge einer Drogenrazzia, nach der acht Verdächtige in U-Haft landeten. Im Rahmen der Grossaktion stellte die Polizei mehrere Kilogramm Drogen sicher – darunter Kokain, Ketamin, Cannabis-Produkte und Ecstasy mit einem Gesamtwert von über 100’000 Franken.

Gemeinde steht unter Schock

Die Nachricht von der Festnahme der grünen Abgeordneten versetzte Genf in Aufruhr. Das Parlament von Grand-Saconnex beschäftigte sich gleich am Montagabend mit der brisanten Affäre. «Viele von uns stehen noch unter Schock», meint der Präsident des Parlaments, Yann Simeth (SP), am Tag danach. Die Sitzung brachte nichts Konkretes hervor. «Solange es keinen Schuldspruch gibt, gilt die Unschuldsvermutung», betont Simeth.

Vor überhasteten Reaktionen warnt auch Bürgermeister Laurent Jimaja (Grüne). Er kündigt gegenüber CH Media an, dass er mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufnehmen will, um zu erfahren, welche Informationen bestätigt sind. Danach könnte die Gemeinde eine offizielle Kommunikation zur Affäre veröffentlichen. Klar ist für Jimaja: «Bestätigen sich die Vorwürfe, wäre das ein grosser Verrat an der Gemeinde, der Partei und ihren Freunden, aber auch am Vorbildcharakter, den Gewählte gegenüber den Jungen und der Bevölkerung haben sollten.»

Derweil stellt sich die Frage, wer wann von der brisanten Festnahme wusste. Hätte das Stimmvolk nicht vor der Wahl informiert werden müssen? Gegenüber Watson sagt der Präsident der Genfer SVP, Lionel Dugerdil: «Sollte sich herausstellen, dass diese Information vor der Wahl absichtlich verschwiegen wurde, wäre das ein Skandal.»

Gewählte dürfen Mandat auch bei Verurteilung behalten

Bürgermeister Jimaja betont, er habe erst am Montag durch die Presse von der Festnahme erfahren. Zwar habe es seit Mittwoch Gerüchte gegeben. Es sei ihm jedoch nicht gelungen, seine Parteikollegin zu kontaktieren. Auch der Co-Präsident der lokalen Grünen-Sektion, Pierre Eckert, berichtet von erfolglosen Kontaktversuchen. Er habe am Freitag davon erfahren, dass Ehemann und Sohn der betroffenen Frau verhaftet wurden – wusste aber nach eigenen Angaben bis Sonntagabend nicht, um welche Delikte es ging und dass die Vorwürfe auch die Politikerin betrafen. Entsprechend sei eine Kommunikation nicht möglich gewesen.

Umso mehr ist Eckert nun bemüht, klare Haltung zu zeigen. Er fordert die wiedergewählte Abgeordnete zum Rücktritt auf und betont, die Partei habe von ihr keine Spendengelder erhalten. «Da ihre Glaubwürdigkeit beschädigt ist, erscheint es mir schwer vorstellbar, dass sie weiterhin im Parlament sitzt», sagt Eckert. Hinsichtlich der Frage nach einem Parteiausschluss gelte es dagegen abzuwarten, ob es zu einer Verurteilung komme.

Laut RTS bestreitet die Frau über ihren Anwalt alle Vorwürfe. Letztlich kann nur sie selbst entscheiden, ob sie ihr Mandat behält oder nicht. Eine Abgeordnete bleibt gewählt, auch «wenn sie in Untersuchungshaft genommen oder sogar in einem Strafverfahren verurteilt wird», so der Kanton Genf auf Anfrage. Die Möglichkeit einer Amtsenthebung sieht das kantonale Gesetz nicht vor.