Die Spendierlaune ist getrübt – deutliche weniger Schweizer unterstützen Hilfswerke
Eine Agenda von Unicef, ein hölzerner Engel von der Heilsarmee und viele wohlformulierte Bettelbriefe. Die Briefkästen füllen sich in der Vorweihnachtszeit zuverlässig mit Sendungen der Hilfswerke. Es ist die Hauptsaison der Spendensammler. Die haben es schwerer. Die hiesige Bevölkerung war auch schon grosszügiger.
Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) hofft auf eine «stärkere Solidarität und Spendenbereitschaft in der Adventszeit», weil die Privatspenden im Jahr 2024 «markant zurückgegangen» sind, sagt SRK-Sprecher Raymond Ruch. Ähnlich sieht es Kilian Gasser von der wesentlich kleineren Organisation Schweizer Berghilfe. Er führt die «Spendenmüdigkeit» auf die allgemeine Wirtschaftslage zurück: Teuerung und höhere Lebenshaltungskosten.
Schon im Jahr 2023 haben sich 400’000 Personen weniger an Spendensammlungen beteiligt als im Vorjahr. Dies geht aus es dem Spendenbarometer des Berufsverbands Swissfundraising hervor. Demnach befindet sich der Anteil der privaten Haushalte, der spendet, mit einer Quote von 72 Prozent auf einem «langfristigen Tiefstwert». 2022 hatten noch 84 Prozent aller Haushalte gespendet. Ruth Wagner, Autorin der Spendenmarktstudie, zeigt sich besorgt. In einem Interview, das im «Spendenreport Schweiz» erschienen ist, führt sie den Rückgang auf eine Kombination aus sich überlagernden Krisen, Inflation und Versorgungsängsten der potenziellen Spender zurück. Zudem habe auch das Vertrauen in die Hilfswerke leicht abgenommen. Zuletzt sorgten verschiedene Hilfswerke wie Tierschutz und Rotes Kreuz für negative Schlagzeilen.
Auch die Gesamtsumme der Spenden ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 250 Millionen Franken stark zurückgegangen. Dies zeigt eine Hochrechnung der Stiftung Zewo. Allerdings war das Jahr 2022 mit Spenden in der Höhe von 2,5 Milliarden Franken das absolute Rekordjahr. Der Ukraine-Krieg sorgte für eine Welle der Solidarität, die nun etwas abebbte. Das Spendenvolumen ist aber noch immer sieben Prozent grösser als während der Corona-Zeit. «Das Spendenaufkommen in der Schweiz bleibt erfreulich hoch», konstatiert die Stiftung Zewo, die ein Gütesiegel für karitative Organisationen betreibt.
Die Veränderung der Spendierlaune der Schweizer Bevölkerung betrifft die wohltätigen Organisationen nicht alle gleich. «Während 55 Prozent der international tätigen Hilfswerke im Jahr 2023 einen Rückgang der Spenden verzeichneten, waren nur 35 Prozent der nationalen Hilfswerke im Bereich Soziales und Gesundheit betroffen», heisst es in der Zewo-Jahresstatistik. Der Rückgang bei den internationalen Hilfswerken sei statistisch primär auf die Abnahme der Ukraine-Spenden im Vergleich zu 2022 zurückzuführen. Doch auch andere Trends machen sich bemerkbar. So haben es Organisationen im Umweltbereich in letzter Zeit etwas schwerer als auch schon, an Spenden zu kommen.
Eine Umfrage dieser Zeitung bei verschiedenen Hilfswerken weist darauf hin, dass sich das Spendeverhalten in diesem Jahr nicht noch einmal dramatisch verschlechtert. Die meisten Hilfswerke erwarten ähnlich viele Spenden wie 2023.