Freche Frauen-Nati verkauft sich gegen Dänemark teuer – und geht voller Selbstvertrauen in den «Final»
Die erste gute Nachricht war den Schweizer Handballerinnen bereits eine knappe Stunde vor Anwurf überbracht worden. In der Basler St. Jakobshalle hatte das Team von Kroatien soeben sein Spiel gegen die Färöer beendet und – obschon klar favorisiert – nur 17:17 gespielt.
Während die Färingerinnen ob ihres ersten EM-Punktes der Geschichte hüpften, kreischten und mit ihren Fans um die Wette strahlten, wurde der Schweizer Equipe zweierlei gewahr. Einerseits wird ihr am kommenden Dienstag im abschliessenden Gruppenspiel gegen Kroatien bereits ein Remis reichen für den Vorstoss in die Hauptrunde. Verlassen sollte man sich darauf allerdings nicht. Allzu oft kommt die Punkteteilung im Viel-Tore-Sport Handball nicht vor und dementsprechend wenig kalkulierbar wird sie sein.
Vielmehr dürfte in den Reihen der Nati aber die Gewissheit eingekehrt sein: Vor diesen um ihr Selbstverständnis ringenden Kroatinnen brauchen wir uns keineswegs zu fürchten.
Fürchten, das war am Sonntagabend auch das Stichwort angesichts der Aufgabe, die sich den Schweizerinnen im Anschluss an das kroatische Remis stellte. Gegenüber stand mit Dänemark der Olympia-Bronzegewinner und Turniermitfavorit. Zu holen, da war man sich im helvetischen Lager weitgehend einig, würde einzig etwas sein, wenn sich die (Ehr-)Furcht in Grenzen hielt und nebenbei das Spiel des Jahrhunderts gelänge. Vorweg: Ehrfürchtig gewesen zu sein, nein, das konnte man den Schweizerinnen beim besten Willen nicht vorwerfen. Nur reichte es doch nicht ganz zum grossen Coup. 30:35 hiess es am Ende, was eindeutig war, aber weniger deutlich als erwartet.
Neues Rekordspiel in der St. Jakobshalle
Ohnehin galt es, dem Resultat sekundäre Bedeutung beizumessen. Stattdessen eröffnete sich dem Betrachtenden eine Partie, die sich gewissermassen am besten zwischen den Zeilen las. Zu sehen war zum einen das schnelle, schnörkellose dänische Spiel, das nicht perfekt war, aber mit seinen wuchtigen Abschlüssen und geradlinigen Kontern gefiel. Zu bestaunen war jedoch auch die Kulisse, die zum nächsten Grossereignis beitrug. Im Schweizer Frauenhandball purzeln dieser Tage die Rekorde, am Freitag hatten in der St. Jakobshalle 4670 Personen zugeschaut, nun kamen gegen Dänemark 5423. Nie zuvor sahen hierzulande mehr Menschen ein Spiel zwischen zwei Teams im Frauenhandball.
Bemerkenswert war aber auch der Auftritt der Schweizerinnen, der sich am ehesten mit dem Wörtchen «frech» betiteln liess. Die Nervosität, die zwei Tage zuvor lähmende Wirkung hatte, war verflogen, das Pflichtprogramm gegen die Färöer gemeistert worden. Nun liess es sich befreit aufspielen.
Die Schweiz kann Geschichte schreiben
Einigen Akteurinnen schien der Druckabfall sichtlich zu bekommen – Spielmacherin Kerstin Kündig etwa. Sie hatte gegen die Färingerinnen noch enttäuscht, jetzt glänzte sie als Gestalterin. Oder Flügelspielerin Mia Emmenegger, die mit ihren schwer zu dechiffrierenden Würfen die dänische Torhüterin überraschte und fünf Mal erfolgreich war. Noch lange werden sich auch Teenager wie Era Baumann (17 Jahre) oder Nora Snedkerud (19) an diesen Abend erinnern. Sie warfen ihre ersten Turniertore, heftig bejubelt von Freunden und Familie.
Erinnerungen schaffen, darum geht es auch in den nächsten Tagen. Erst folgt die Hürde Kroatien – und bestenfalls fährt der EM-Zug dann an die Hauptrunde nach Wien. Oder um es mit Emmenegger zu sagen: «Wir können weiter Geschichte schreiben, was will man mehr?»