Harte Landung in Wien: Die Frauen-Nati kassiert eine heftige Niederlage gegen Deutschland
Spielentscheidend war die Szene nicht. Aber sie veranschaulichte, was für die Schweizer Handballerinnen alles schief gelaufen war. Rund eine Viertelstunde vor Spielschluss schraubte sich Flügelspielerin Mia Emmenegger in die Luft, warf in Richtung entferntes Eck, wo der Ball erst die Latte, dann den Pfosten touchierte und zurück ins Feld sprang. Zum zehnten Mal an diesem Nachmittag traf eine Nati-Spielerin die Torumrandung. Eine derartige Dichte an Fehlwürfen kann unmöglich zu einem zufriedenstellenden Resultat führen.
Mit dem bisher schwächsten Turnierauftritt verlor das Schweizer Nationalteam ihren Hauptrunden-Auftakt gegen Deutschland deutlich 27:36. «Ich bin enttäuscht von unserer Leistung, es hat heute an allen Ecken und Enden gefehlt», diktierte die routinierte Torhüterin Manuela Brütsch im Anschluss ins Mikrofon des Schweizer Fernsehens und bot eine treffende Einschätzung dar.
Fehlende Stimmung in der Wiener Stadthalle
Wo nur war die Energie geblieben, die das Team noch vor wenigen Tagen durch die EM-Vorrunde getragen hatte, mit dem vorläufigen Höhepunkt am Dienstag, dem 26:22 gegen Kroatien? Ja, die war augenscheinlich in der Basler St. Jakobshalle verblieben und nicht in den Flieger nach Wien mitgenommen worden. Dass Wien nicht Basel sein kann, liess sich auch an den Zuschauerzahlen ablesen: Lediglich 2182 Fans wollten in der Stadthalle den Vergleich der beiden Nachbarländer sehen, was wohl zu grossen Teilen der suboptimalen Anspielzeit geschuldet war. Anwurf am Werktag Donnerstag war 15.30 Uhr.
Von aufregender Stimmung jedenfalls konnte nicht die Rede sein. Und den seltsam lethargischen Schweizerinnen war dies anzumerken. Zu keiner Sekunde hatte man den Eindruck, als könnte ein Achtungserfolg im Bereich des Möglichen liegen, zu bescheiden fiel die Darbietung aus. Daphne Gautschi gestand im Nachgang eine gewisse «Müdigkeit» ein, sie sprach davon, dass nach dem Erreichen der Hauptrunde «Spannung abgefallen» sei. Und Trainer Knut Ove Joa sagte: «Die ersten drei Spiele in Basel haben uns extrem viel Kraft gekostet.»
Nach der Pause wurde es deutlich
Gegen ein mit jeder Spielminute stärker werdendes deutsches Team konnte die Schweiz einzig in der ersten Halbzeit mithalten. Nach einem frühen 4:8-Rückstand zeigte sie bekannte Nehmerqualitäten und kam zurück, in der 19. Minute glich Gautschi mit ihrem zweiten persönlichen Treffer aus zum 10:10. Dass es Gautschis letztes Tor bleiben sollte, war eine der kleinen Nebengeschichten des verpatzten Nachmittags. Die in der Gruppenphase so überragend agierende Rückraumspielerin kam nie auf Touren.
Nach dem Schweizer Ausgleich stellte Deutschland flugs den alten Vier-Tore-Vorsprung wieder her, der auch zum Ende der ersten Halbzeit Bestand hatte.
Nach der Pause sah es für die Schweiz auch nicht besser aus, eher war das Gegenteil der Fall. Besonders in der Deckung offenbarte die Nati kaum zu kaschierende Schwächen. Allzu leicht kamen die gegnerischen Rückraumschützinnen zu aussichtsreichen Abschlussmöglichkeiten. Hatten zuvor auch die Deutschen im Abschluss gesündigt, verwerteten sie ihre Möglichkeiten nun konsequent. Weder Goalie Brütsch (7 von 29 Würfen gehalten) noch ihre Konkurrentin Lea Schüpbach (3 von 16) konnten im Schweizer Tor einen entscheidenden Beitrag leisten, damit das Tordefizit nicht weiter anwuchs.
Bereits am Samstag trifft die Schweiz auf Slowenien
Mitte der zweiten Halbzeit fand sich auch Coach Ove Joa mit der Niederlage ab. Im Schlussabschnitt gewährte er bislang kaum eingesetzten Kräften wie Norma Goldmann, Nuria Bucher und Laurentia Wolff vermehrt Einsatzzeit. Insbesondere Goldmann machte mit drei Toren Werbung in eigener Sache.
Die hohe Niederlage gilt es für das Schweizer Team nun schnell hinter sich zu lassen. Bereits am Samstag (ab 15.30 Uhr) wartet mit dem schwer einzuschätzenden Slowenien der nächste Hauptrundengegner. Vielleicht hilft ja der eine Ruhetag dazwischen, um wieder zu dringend benötigten Kräften zu kommen.