Sie sind hier: Home > Handball > Die Schweizer Handballer verpassen die Sensation, weil sie im Penaltyschiessen versagen

Die Schweizer Handballer verpassen die Sensation, weil sie im Penaltyschiessen versagen

Nach dem Auswärtssieg im Hinspiel wächst die Schweizer Nati auch in Winterthur über sich hinaus. Trotzdem reicht es nicht für den Coup, weil drei von vier Penaltyschützen nicht treffen.

Der Lärm ist nichts für Ärzte, die von Rockkonzerten abraten. Die ausverkaufte Halle in Winterthur brodelt nicht nur, sie kocht, als Manuel Zehnder in der 58. Minute zum 32:33 trifft. Und als wenig später Goalie Jannis Scheidiger famos pariert, ist definitiv die Hölle los.

Niemand sitzt, alle stehen. Auch Zentralpräsident Pascal Jenny, der kaum noch hinschauen mag, die Hände wahlweise knetet, vor den Mund oder die Augen hält. Verständlich, schliesslich liegt eine der grössten Schweizer Handball-Sensationen dieses Jahrtausends auf dem Präsentierteller.

Seit 1995 war die Schweiz nie mehr so nahe dran

Wobei Präsentierteller etwas unsauber formuliert ist. Es ist eher so, dass die Schweizer unfassbar viel machen, dass sich ihnen diese historische Chance bietet. Letztmals hatte sich die Schweiz 1995 sportlich für eine WM qualifiziert. 2021 war sie zwar beim Gipfeltreffen auch dabei. Aber nur, weil die USA wegen zu vieler Coronafälle Forfait geben musste, rutsche die Nati nach.

Und jetzt, WM-Playoff gegen Slowenien. Was kann da schon gut gehen, so der Tenor. Schliesslich handelt es sich um eine unbestrittene Top-Nation auf dem Handball-Planeten. EM-Sechster in diesem Jahr, Olympia-Teilnehmer in Paris, wo nur zwölf Teams teilnehmen können. Sich gegen Slowenien durchzusetzen, wäre für die Schweizer Handballer, als würden sie einen Fuss auf den Mars setzen.

Trotzdem halten sie den Ball flach. Schliesslich fehlt mit dem wegen eines positiven Dopingbefunds gesperrte Nikola Portner die Galionsfigur. Der Goalie von Champions-League-Sieger Magdeburg ist der mit Abstand höchst dekorierte Schweizer, seit Andy Schmid im Januar zurückgetreten ist.

Aber da war diese herausragende Darbietung am Donnerstag in Koper, Slowenien. Die Schweiz siegte 27:26. Keiner sprach hinterher von Portner, weil sein erst 21-jähriger Stellvertreter Scheidiger eine exzellente Partie zeigte. Und auch kaum jemand sprach vom Spieler Schmid, weil der Trainer Schmid in seinem erst zweiten Länderspiel als Verantwortlicher gleich zeigte, was er will: eine mutige, furchtlose und spielfreudige Nati.

Andy Schmid schrammt in seinem erst dritten Spiel als Nationaltrainer ganz kanpp der Sensation vorbei. 
Bild: Alexander Wagner

Ja, dieser Sieg in Slowenien weckte nicht nur Erwartungen, sondern vertrieb auch die Bedenken und heizte die Euphorie an. Egal, wie gross die Namen bei den Gegner sind. Eine Minute und 10 Sekunden vor Schluss erhöht Slowenien auf 34:32.

Damit wäre die Schweiz raus. Doch die Halle in Winterthur ist getränkt von Zuversicht. Kaum jemand zweifelt jetzt noch, dass es die Schweiz nicht an die WM im Januar schaffen könnte. Klar, nach menschlichem Ermessen bleibt den Schweizern nur noch ein Angriff. Und wenn sie diesen erfolgreich abschliessen, kommt es zur Penaltyentscheidung.

Mehmdi Ben Romdhane wird zum Mann der Crunch Time

Einer, der eher noch zu den Spielern aus der zweiten Reihe gehört, macht die verrückte Schlussphase zu seiner Show: Mehdi Ben Romdhane. 25 Sekunden vor Schluss holt der Romand mit tunesischen Wurzeln eine Zweiminutenstrafe heraus. 11 Sekunden vor Schluss trifft er zum 33:34. Weil Scheidiger danach den letzten Abschluss der hochfavorisierten Slowenen pariert, kommt es zum Penaltyschiessen.

Brillanter Auftritt von Mehdi Ben Romdhane (Mitte) in der Schlussphase des Spiels.
Bild: Manuel Geisser / Keystone

Samuel Zehnder, der während des Spiels alle seine vier Würfe von der Siebenmeter-Linie verwandelte, trifft nur den Pfosten. Manuel Zehner, Bundesliga-Shootingstar, trifft nur die Latte. Weil bei den Slowenen die ersten vier Schützen treffen, kommen Erinnerungen hoch an dieses vermaledeite Penaltyschiessen bei der Fussball-WM 2006 gegen Ukraine, wo sogar drei Schweizer scheiterten.

Andy Schmid: «Wir haben viel aber doch zu wenig richtig gemacht.’»

Handball-Boss Jenny resümiert: «Natürlich bin ich sehr enttäuscht. Aber besser kannst du die Kampagne 2028 nicht starten.» Die Heim-EM 2028 ist das Fernziel des Verbandes. Aber Trainer Andy Schmid will nicht so weit denken. «Ich hasse jede Niederlage», so der Nati-Trainer. «Deshalb will ich auch nach dieser nicht einfach darüber hinwegschauen. Wir haben in 120 Minuten gegen Slowenien viel aber doch zu wenig richtig gemacht. Wir sind zu Hause nicht gut ins Spiel gekommen. Das nehme ich auf meine Kappe. Aber nach der Pause war das, was wir in der Offensive gezeigt haben, Weltklasse.»

SCHWEIZ – SLOWENIEN 34:38 n.P. (12:14)

Hinspiel: 27:26. Nach dem Gesamtskore von 60:60 nach 120 Minuten geht die Partie ins Siebenmeterschiessen:

Dolenec trifft 0:1 S. Zehnder verschiesst 0:1 Strmljan trifft 0:2 M. Zehdner verschiesst 0:2 Nvaok trifft 0:3 Aellen trifft 1:3 Kavcic trifft 1:4

Winterthur, WIN4 Komplex, 2000 Zuschauer; SR: Covalciuc / Covalciuc (MDA)

SCHWEIZ:Scheidiger (8 Paraden), Grazioli (2); Meister (5), Rubin (3), Tynowski (5), Zehnder M. (7), Kusio, Röthlisberger, Maros (2), Steenaerts, Gerbl, Zehnder S. (5), Willecke, Leopold, Aellen (2), Ben Romdhane M. (5).

SLOWENIEN:Lesjak, Kastelic; Blagotinsek (3), Janc (6), Dolenec (4), Cehte (1), Jovicic S. (6), Horzen (1), Horvat (1), Mazej, Bombac (11), Kavcic (3), Strmljan (1), Novak (1), Drobez, Suholeznik.

Schreiben Sie einen Kommentar