Die Schweiz wirft den Sieg im WM-Startspiel weg, weil sie noch grün hinter den Ohren ist
Als der erst 19-jährige Luca Sigrist in seinem sechsten Länderspiel mit dem Treffer zum 16:15 die Crunch Time lanciert, kehrt die Zuversicht zurück. Klar, es ist von Beginn weg ein zäher Abnützungskampf. Aber: Der Schweizer Goalie Nikola Portner zeigt kaum eine Schwäche. Und die Defensive funktioniert.
Einzig mit dem Toreschiessen haben die Schweizer gröbere Probleme. Aber eben: Wenn schon der Rookie in dieser entscheidenden Phase trifft, sollte das mit den zwei Punkten doch klappen.
Tut es nicht. Die Schweizer müssen sich mit einem 17:17 gegen Tschechien begnügen. Und das ist nicht das, was sie sich vorgestellt haben. Ihr Ziel lautet: Einzug in die Hauptrunde. Dafür müssen in ihrer Gruppe mindestens ein Team hinter sich lassen. Die Deutschen, Zweite bei Olympia, sind normalerweise ausser Reichweite. Gegen Tschechien und Polen spricht Nationaltrainer Andy Schmid im Vorfeld von 50:50-Partien, obwohl beide in der Weltrangliste vor der Schweiz liegen. Und weil die Polen eher etwas stärker eingestuft werden als die Tschechen, hätte ein Sieg im Startspiel die Schweizer ihrem Ziel sehr nahe gebracht.
Nun aber könnte es kompliziert werden. Es verwundert nicht, dass Kreisläufer Lukas Laube hinterher von einem verlorenen Punkt spricht. «Wir haben uns viel mehr vorgenommen. Aber vorne haben wir zu viele gute Chancen liegengelassen, zu viele Bälle verworfen.»
Nikola Portner und seine galaktischen Phasen
Nur: Wo und wann haben die Schweizer den Sieg weggeworfen? Einerseits in der zweiten Viertelstunde. In diese steigen die Schweizer mit einem 6:2-Vorsprung. Warum? Nicht weil vorne viel funktioniert, sondern weil die Defensive äussert agil und aggressiv agiert und Captain Portner galaktisch in die Partie startet. Bis zu diesem 6:2 wehrt der zweifache Champions-League-Sieger sieben Abschlüsse der Tschechen ab.
Der 31-Jährige wird dem Ruf, Weltklasse auf seiner Position zu verkörpern, vollends gerecht, weil er seinem jungen Team hilft, einen Weg in diese WM zu finden. Doch die Tore schiessen kann er nicht auch noch.Klar, muss er auch nicht.
Immerhin sehen wir in Herning einen Lenny Rubin, der das tut, was man von ihm in jedem Länderspiel erwartet, er aber nicht in jedem Länderspiel abliefern kann: Die Equipe mit seinen Toren entfesseln, mitreissen, ihr Sicherheit vermitteln. Dabei steht Rubin gegen Tschechien nicht mal in der Startformation. Stattdessen beginnt Luka Maros. Wohl, weil der Stuttgart-Söldner in den WM-Testspielen nicht mit jener Überzeugung agierte, die Nationaltrainer Schmid von seinen Spielern erwartet.
Vielleicht hat Rubin genau das gebraucht, um sein Potential auszuschöpfen: Einen Denkzettel des Trainers. Am Ende ist Rubin mit acht Treffern quasi der offensive Alleinunterhalter. Andere hingegen enttäuschen.
Klar, wenn ein Manuel Zehnder (Kreuzbandriss) wegbricht, hat das gröbere Auswirkungen auf das Spiel der Schweizer. Wenn der Magier, der in der letzten Saison als Torschützenkönig in der Bundesliga für Furore sorgte, fehlt, kann man von der Schweiz kein offensives Zauberwerk erwarten. Aber schon ein bisschen mehr als das, was wir gegen Tschechien sehen.
Trainer Schmid ist «unglaublich stolz»
Aber es gibt Gründe für den höchst bescheidenen Wert von nur 45 Prozent erfolgreicher Abschlüsse. Und diese suchen wir mal nicht beim gegnerischen Torhüter oder bei der guten Abwehrarbeit der Tschechen. Nein, wir kehren erst vor der eigenen Türe und müssen konstatieren: Egal ob Gino Steenaerts, Felix Aellen, Lukas Laube oder Medhi Ben Romadhane: Im Angriff offenbaren sie bei weitem nicht ihre wahren Qualitäten. Trotzdem resümiert Schmid: «Ich bin unglaublich stolz auf meine Jungs.»
Ein Widerspruch zur Darbietung? Nein, ist es nicht. Für diese jungen Spieler ist es die erste, für einige die zweite Endrunden-Teilnahme. Und das sieht man gegen Tschechien. Da ist einerseits sehr viel Nervosität im Spiel, weil vieles neu, ungewohnt ist – die Bühne, die grosse Arena, die Aufmerksamkeit, der Druck. Deshalb scheint es, als würden die jungen Spieler so viele Fehler machen, weil sie sich eben fest vorgenommen haben, möglichst keine Fehler zu machen. Sie werden lernen, damit umzugehen. Deshalb ist dieser Punkt gar nicht so schlecht.