
«Mir kommen die Tränen»: Baar feiert seinen neuen Bundesrat Martin Pfister
Eine Traube von Polizistinnen und Polizisten in Vollmontur lässt Unbeteiligte etwas schneller gehen. Sie versammeln sich im Berner Bahnhof auf Gleis acht. Auf der Anzeigetafel steht «Bon voyage».
Die Sicherheitsleute wollen keinen Schwerstkriminellen erwischen, sondern Neo-Bundesrat Martin Pfister und die scheidende Bundesrätin Viola Amherd begleiten. Als sie erscheinen, bildet sich sofort ein Kreis um sie. Nachdem sie in die Kameras gelächelt und gewinkt haben, steigen sie in den Extrazug. Er fährt ausnahmsweise direkt von Bern durch das Freiamt in die Wohngemeinde des neuen Bundesrates: Baar.
Pfister strahlt über beide Ohren
Der Zug hält genau so, dass Martin Pfister direkt aus dem Waggon auf den roten Teppich aussteigen und in die Menge schreiten kann. Er strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Ein Meer aus Menschen empfängt ihn. Aus den umliegenden Häusern lehnen sich Schaulustige, und unzählige Handys werden hochgehalten.
Nach einem überschwänglichen Empfang durch den Baarer Gemeindepräsidenten Walter Lipp – «Willkommen in der schönsten und stolzesten Gemeinde der Schweiz» – bringt sich der Umzug in Formation. Es folgen Minuten des Gewusels, bis alle bereit sind. Die Feldmusik Allenwinden – das Heimatdorf Pfisters – bildet den Kopf des Umzugs.
Direkt dahinter schreiten die Ratsmitglieder des National- und Ständerats voran – der Nationalrat und unterlegene Bundesratskandidat Markus Ritter ist allerdings nicht dabei. «Schau, das ist die, die den Spruch ‹und gewählt ist› gesagt hat», sagt eine Frau zu ihrer Freundin und zeigt auf Nationalratspräsidentin Maja Riniker. Amherd und Pfister sitzen in einer stattlichen Pferdekutsche. Man hört und sieht, wo sich diese gerade befindet, anhand des gestaffelt aufbrandenden Jubels.
Im Vorfeld wurde spöttisch gefragt, ob es im Steuerparadies Zug überhaupt genügend einheimische Kinder gebe. Dem ist augenscheinlich so, überall stehen sie und wedeln mit kleinen Fähnchen.
Frau Dosenbachs weise Vorausahnung
Auf einem grossen Schulhausplatz endet der Umzug. Die meisten halten unterdessen ein Weissweinglas oder ein «Bundesratsbier» mit Pfisters Bild in der Hand. Die Sonne brennt auf die Menschen, die sich dicht auf dem Platz drängen.
Der Baarer Gemeindepräsident Lipp verkündet stolz, dass auch alt Bundesrat Kaspar Villiger anwesend ist. Nachdem er den Namen seiner Gemeinde in allen möglichen Wortspielen untergebracht hat – «es ist wunder-Baar» –, übergibt er Martin Pfister feierlich ein paar Socken. Die Menge johlt ausgelassen, als er sagt: «Wer warme Füsse hat, behält einen kühlen Kopf.»
Pfisters Festrede widerlegt jegliche Vorwürfe, er sei etwas zugeknöpft. Er strahlt pure Freude aus: «Mir kommen die Tränen, wenn ich euch sehe.» Die Menge hat er endgültig im Sack, als er erzählt: «Als ich mich in der 1. Klasse weigerte, zur Logopädin Frau Dosenbach zu gehen, sagte sie: Was ist, wenn du mal Bundesrat wirst?» Pfister habe sich überzeugen lassen. Das Fazit seiner Rede: «Bleiben Sie zuversichtlich in diesen unsicheren Zeiten, engagieren Sie sich – und hören Sie besser auf Frau Dosenbach!»